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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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offensichtlich gewaltig auf die Nerven. Als nämlich der Lenker des Triumphwagens die Pferde vor dem Carcer anhielt und die Parade zum Stehen kam, stieß Pompeius den Sklaven grob vom Wagen und wandte sich mit seinem breiten, rot geschminkten Gesicht den verdreckten, gespensterhaften Gefangenen zu.
    »Ich, Pompeius Magnus, Eroberer von dreihundertvierundzwanzig Ländern, vom Senat und Volk Roms mit der Macht über Leben und Tod ausgestattet, verkünde hiermit, dass ich euch als Vasallen des Römischen Reiches mit sofortiger Wirkung …« Er machte eine Pause. »… vollen Straferlass gewähre und ihr somit frei seid, in die Länder eurer Geburt zurückzukehren. Geht, und berichtet der Welt von meiner Barmherzigkeit.«
    Das war so überwältigend und kam so unerwartet, da Pompeius in seiner Jugend als »Der junge Schlächter« bekannt gewesen war und nur selten irgendwem gegenüber viel Nachsicht gezeigt hatte. Die Menge schien erst enttäuscht zu sein, begann dann jedoch zu applaudieren. Die Gefangenen, nachdem man ihnen Pompeius’ Worte übersetzt hatte, streckten ihm die Hände entgegen und schrien in ihren fremden Sprachen wild durcheinander. Pompeius würdigte ihre Dankbarkeit mit einer kreisenden Handbewegung, sprang dann von seinem Triumphwagen und ging
auf das Kapitol zu, wo er Jupiter ein Opfer darzubringen hatte. Die Senatoren, einschließlich Cicero, folgten ihm, und auch ich setzte mich gerade in Bewegung, als ich eine höchst bemerkenswerte Entdeckung machte.
    Da die Parade beendet war, zogen die mit Waffen und Rüstungen beladenen Wagen an mir vorüber, um das Forum zu verlassen, wobei ich zum ersten Mal aus nächster Nähe einen Blick auf die Schwerter und Dolche werfen konnte. Ich war kein Experte des Kriegshandwerks, aber selbst mir fiel auf, dass die neuen Waffen mit ihren geschwungenen Klingen und den rätselhaften orientalischen Gravuren auf den Griffen genau die gleichen waren wie die, die Cethegus in seinem Haus gehortet und von denen ich am Tag vor der Hinrichtung eine Bestandsaufnahme gemacht hatte. Ich wollte mir einen Dolch nehmen, um ihn Cicero zeigen zu können, aber der Legionär, der sie bewachte, brüllte mich rüde an, ich solle die Finger da wegnehmen. Ich machte schon den Mund auf, um ihm zu sagen, wer ich sei und warum ich den Dolch brauchte, besann mich aber schlauerweise eines Besseren. Wortlos drehte ich mich um und eilte davon, und als ich mich noch einmal umwandte, schaute der Legionär mir immer noch argwöhnisch hinterher.
    Cicero musste nach der Opferzeremonie noch an Pompeius’ großem offiziellem Bankett teilnehmen, so dass es schon sehr spät war, als er nach Hause zurückkehrte – in schlechter Stimmung, wie üblich, wenn er viel Zeit mit Pompeius verbracht hatte. Er war überrascht, dass ich auf ihn wartete, und hörte gespannt zu, als ich ihm von meiner Entdeckung berichtete. »Was willst du mir damit sagen?«, fragte er, nachdem ich fertig war. »Dass Pompeius von Mithridates erbeutete Waffen nach Rom geschickt hat, um Catilinas Aufstand auszurüsten?«
    »Ich sage nur, dass die Gravuren und die Form der Waffen exakt gleich waren …«
    Cicero fiel mir ins Wort. »Das ist Hochverrat, was du da sagst. Ich kann das nicht dulden. Du hast doch gesehen, wie mächtig Pompeius ist. Sag nie wieder ein Wort davon, hörst du?«
    »Entschuldigung«, sagte ich und schluckte verlegen. »Verzeiht mir.«
    »Außerdem, wie hätte Pompeius sie in die Stadt schaffen sollen? Er war tausend Meilen weit weg.«
    »Ich habe mich gefragt, ob nicht vielleicht Metellus Nepos sie mitgebracht haben könnte.«
    »Geh schlafen«, sagte er verärgert. »Du redest Unsinn.« Offensichtlich hatte er sich meine Worte über Nacht durch den Kopf gehenlassen, denn am nächsten Morgen war sein Urteil nicht mehr so harsch. »Tja, du könntest tatsächlich Recht damit haben, dass die Waffen von Mithridates stammen. Immerhin wurde damals das gesamte königliche Waffenarsenal erbeutet, es ist durchaus plausibel, dass Nepos einen Teil davon mit nach Rom gebracht hat. Trotzdem, das heißt immer noch nicht, dass Pompeius Catilina aktiv unterst ützt hat.«
    »Natürlich nicht«, sagte ich.
    »Ein haarsträubender Gedanke. Diese Waffen waren immerhin dazu bestimmt, mir die Kehle durchzuschneiden.«
    »Pompeius würde nie etwas tun, was Euch oder dem Staat schaden würde«, versicherte ich ihm.
    Am nächsten Tag ließ Pompeius ausrichten, dass er Cicero um einen Besuch bitte.

    Der »Herr über Land und Meer«

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