Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
mit meinem Schwert.«
    Die Menge brüllte vor Vergnügen. Cicero konnte es nicht mehr ertragen. Er drehte sich um, bahnte sich einen Weg durch seine Senatorenkollegen und verließ die Versammlung.
    Pompeius’ Worte kamen einem Ruf zu den Waffen gleich, und binnen Tagen strömten seine Veteranen nach Rom. Sie kamen aus allen Winkeln Italiens. Pompeius bezahlte ihnen die Reise und brachte sie außerhalb der Stadt in Zelten und innerhalb der Stadt in billigen Herbergen unter. Sie schmuggelten widerrechtlich Waffen ein, hielten
sie verborgen und warteten auf den letzten Tag im Januar, wenn vom Volk über das Gesetz abgestimmt werden sollte. Senatoren, von denen man wusste, dass sie das Gesetz ablehnten, wurden auf offener Straße angepöbelt und ihre Häuser mit Steinen beworfen.
    Der Mann, der diese Einschüchterungskampagne im Auftrag des »dreiköpfigen Ungeheuers« organisierte, war der Volkstribun Publius Vatinius, der als hässlichster Mann Roms bekannt war. Als Kind hatten ihn die Skrofeln befallen, und seitdem waren Gesicht und Hals mit schwabbeligen blauvioletten Geschwülsten bedeckt. Das Haar war schütter, und da die Beine wegen einer Erkrankung verkrümmt waren, ging er immer mit weit gespreizten Knien, als wäre er gerade nach einem langen Ritt vom Pferd gestiegen oder hätte sich besudelt. Merkwürdigerweise besaß er ein ansprechendes Wesen und kümmerte sich nicht im Geringsten darum, was die Leute über ihn redeten: Wenn einer seiner Gegner einen Witz über sein Aussehen riss, dann übertrumpfte er ihn mit einem noch witzigeren Spruch. Pompeius’ Männer lagen ihm zu Füßen, und ebenso das Volk. Auf einer der vielen Volksversammlungen, die er zur Unterstützung von Caesars Gesetz einberief, lud er den Konsul Bibulus vor und ließ ihn auf dem Podium von den Volkstribunen ins Verhör nehmen. Selbst in ausgeglichener Stimmung war Bibulus ein galliger Zeitgenosse, und das wusste Vatinius. Er ließ von seinen Anhängern mit Seilen ein paar Holzbänke zusammenbinden, die wie eine Art Laufsteg vom Podium auf direktem Weg hinauf zum Carcer führten. Als im Lauf der Befragung Bibulus das Landgesetz in wüster Sprache anprangerte – »Gleichgültig, ob ihr alle das wollt, in diesem Jahr kriegt ihr euer Gesetz bestimmt nicht!« –, ließ Vatinius ihn verhaften und über den Laufsteg ins Gefängnis marschieren. Er sah aus wie ein gefangener Pirat, der über die Planken gehen musste.
    Bei vielen dieser Versammlungen stand Cicero – gegen
die Januarkälte in einen Umhang gehüllt – oben in seinem Garten und schaute zu. Er fühlte sich sehr elend und versuchte sich aus allem herauszuhalten. Zudem musste er sich schon bald mit eigenen Problemen herumschlagen.
    Es war während dieser tumultartigen Ereignisse, als ich eines Morgens die Tür öffnete und Antonius Hybrida vor mir stand. Ich hatte ihn seit über drei Jahren nicht mehr gesehen und hätte ihn fast nicht wiedererkannt. Wegen der üppigen Fleischgerichte und der schweren Weine, die er in Macedonia genossen hatte, war er sehr korpulent geworden. Sein Gesicht war hochrot, als hätte man es mit einer rotfleckigen Fettschicht überzogen. Als ich ihn in die Bibliothek führte, fuhr Cicero zusammen, als hätte er einen Geist gesehen, was in gewissem Sinn ja auch stimmte, denn mit Hybrida holte ihn die Vergangenheit mit voller Wucht ein. Teil ihrer Abmachung zu Beginn von Ciceros Konsulat war eine schriftliche Vereinbarung gewesen, in der Cicero Hybrida zusicherte, ihn als Anwalt zu vertreten, sollte dieser jemals angeklagt werden: Jetzt war der frühere Mitkonsul gekommen, um dieses Versprechen einzufordern. Hybrida begleitete ein Sklave, der die Klageschrift bei sich trug. Als Hybrida Cicero das Schriftstück überreichte, zitterte seine Hand so heftig, dass ich glaubte, er hätte einen Anfall. Cicero ging näher ans Licht und las.
    »Wann ist dir das zugestellt worden?«
    »Heute.«
    »Du bist dir im Klaren darüber, was das ist, oder?«
    »Nein. Deshalb bin ich mit dem verdammten Ding ja gleich zu dir gekommen. Dieses Juristengeschwafel habe ich noch nie kapiert.«
    »Das ist eine Anklage wegen Hochverrats.« Während Cicero das Dokument überflog, wurde sein Gesichtsausdruck immer verwirrter. »Merkwürdig. Ich hätte eher damit gerechnet, dass sie es mit Korruption versuchen würden.«
    »Was meinst du, Cicero, ob ich wohl einen Schluck Wein bekommen könnte?«
    »Einen Augenblick noch. Wir sollten lieber einen klaren Kopf behalten, solange wir die

Weitere Kostenlose Bücher