02 Titan
ehrlich verblüfft an. »Crassus?«, wiederholte er. »Aber Crassus erträgt es doch kaum, wenn er sich nur in der gleichen Stadt wie Pompeius aufhalten muss. Wie soll er da zusammen mit ihm in einem Fünfergremium sitzen?«
»Crassus ist ein lieber Freund von Caesar. Und auch Pompeius ist ein lieber Freund von Caesar. Also hat Caesar den Heiratsvermittler gespielt, zum Wohl des Staates.«
»Wohl eher zum Wohle ihrer selbst. Das klappt nie.«
»Das klappt ohne jeden Zweifel. Die drei haben sich getroffen und schon alles geregelt. Und gegen ein solches Bündnis kann niemand in Rom etwas ausrichten.«
»Wenn schon alles geregelt ist, wofür werde ich da noch gebraucht?«
»Als Vater des Vaterlandes ist deine Autorität einzigartig.«
»Ach, so ist das! Ganz zum Schluss holt man also noch mich an Bord, um der ganzen Geschichte den Anstrich von Seriosität zu geben.«
»Ganz und gar nicht. Du wärst ein vollwertiges Mitglied des Gremiums. Caesar hat mich autorisiert, dir mitzuteilen, dass keine bedeutende die laufenden Staatsgeschäfte betreffende Entscheidung gefällt würde, ohne vorher deinen Rat einzuholen.«
»Das würde im Kern bedeuten: Diese innere Kommission übt die exekutive Regierungsgewalt aus, richtig?«
»Exakt.«
»Und für wie lange soll sie eingesetzt werden?«
»Entschuldigung?«
»Wann wird sie wieder aufgelöst?«
»Sie wird gar nicht mehr aufgelöst. Sie wird eine dauerhafte Einrichtung sein.«
»Das ist ungeheuerlich! Ein derartiges Gremium ist ohne Beispiel in unserer Geschichte. Das wäre der erste Schritt auf dem Weg zur Diktatur.«
»Aber mein lieber Cicero, ich bitte dich.«
»Die jährlichen Wahlen hätten keinerlei Bedeutung mehr. Die Konsuln wären Marionetten, den Senat könnte man gleich abschaffen. Dieser innere Zirkel würde die Verteilung des Bodens und die Festsetzung der Steuern kontrollieren …«
»Das würde uns Stabilität bringen.«
»Das wäre eine Kleptokratie.«
»Heißt das, dass du Caesars Angebot ablehnst?«
»Sag deinem Herrn, ich weiß zu schätzen, dass er mich in Betracht gezogen hat, und dass ich gern sein Freund sein will, mehr aber nicht. Sein Vorhaben kann ich nicht gutheißen.«
»Nun«, sagte ein sichtlich schockierter Balbus, »er wird sehr enttäuscht sein, mehr noch, es wird ihn traurig stimmen, und ebenso Pompeius und Crassus. Sie würden es natürlich gern sehen, wenn du ihnen zusichern könntest, dass du dich ihren Plänen nicht widersetzt.«
»Natürlich würden sie das.«
»Sehr sogar. Sie wünschen keine Unannehmlichkeiten. Sollten sie allerdings dennoch auf Widerstand treffen, so muss dir klar sein, dass er von ihnen gebrochen werden würde.«
Nur mit Mühe hielt Cicero seinen Zorn im Zaum. »Du kannst ihnen sagen, dass ich mich über ein Jahr lang im Namen von Pompeius darum bemüht habe, eine gerechte Regelung für seine Veteranen herbeizuführen – gegen den härtesten Widerstand von Crassus, darf ich hinzufügen. Du kannst ihnen sagen, dass ich nichts davon zurückzunehmen habe. Aber ich will nichts mit einer geheimen Absprache zu tun haben, die durch eine Konspiration eine Regierung errichten will. Das würde allem Hohn sprechen, wofür ich in meinem öffentlichen Leben eingestanden habe. Ich denke, den Weg zur Tür findest du allein.«
Nachdem Balbus gegangen war, saß Cicero schweigend in seiner Bibliothek, während ich auf Zehenspitzen um ihn herumschlich und seine Korrespondenz ordnete. »Das muss man sich mal vorstellen«, sagte er schließlich. »Die schicken mir diesen mediterranen Teppichhändler, der mir zum Schleuderpreis ein Fünftel der Republik verhökern soll. Unser Freund Caesar hält sich für einen feinen Herrn, aber in Wahrheit ist er der ordinärste Gauner.«
»Das könnte Ärger geben«, sagte ich warnend.
»Von mir aus, ich habe keine Angst.« Natürlich hatte er Angst, aber plötzlich kam sie wieder zum Vorschein, jene Eigenschaft, die ich am meisten an ihm bewunderte – die zögernde, nervöse Entschlossenheit, die ihn am Ende doch das Richtige tun ließ. Ab diesem Zeitpunkt muss ihm nämlich klar gewesen sein, dass seine Position in Rom allmählich unhaltbar wurde. Nachdem er lange nachgedacht hatte, sagte er schließlich: »Die ganze Zeit, während dieser spanische Zuhälter geredet hat, habe ich daran gedacht, was Kalliope in meiner poetischen Autobiografie zu mir gesagt hat. Erinnerst du dich?« Er schloss die Augen und rezitierte:
»Derweil die Wege, die du beschritten von frühester
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