02 Titan
Pompeius. Er sah in seinem Augurenputz nicht nur lächerlich aus, die Angelegenheit war ihm schlicht peinlich.
»Ja, wir sind fertig«, sagte Caesar. Er streckte die Hand aus, als erteilte er einen Hochzeitssegen. »Publius Clodius Pulcher, kraft meines Amtes als Pontifex Maximus erkläre ich, dass du ab sofort der Adoptivsohn von Publius Fonteius bist und in den staatlichen Dokumenten als Plebejer geführt wirst. Der Wechsel deines Standes tritt sofort in Kraft, es ist dir also erlaubt, wenn du dies wünschst, dich zur Wahl für das Amt eines Volkstribuns zu stellen. Danke, meine Herren.« Caesar nickte zum Zeichen, dass alle Anwesenden entlassen seien. Die Mitglieder der Curia erhoben sich, und der Erste Konsul und Pontifex Maximus von Rom hob sein Gewand leicht an und stieg vom Podium herunter – die Amtsgeschäfte für diesen Nachmittag waren erledigt. Als er an Clodius vorbeiging, wandte er angewidert den Kopf ab, wie ein Passant, der auf der Straße einen Kadaver sieht. »Du hättest dir meine Warnung zu Herzen nehmen sollen«, zischte er Cicero zu, als er an ihm vorbeikam. »Ich konnte nicht anders, du hast mich dazu gezwungen.« Er strebte im Gefolge seiner Liktoren dem Ausgang zu. Dichtauf folgte Pompeius, der es immer noch nicht schaffte, Cicero in die Augen zu schauen. Crassus hingegen gönnte sich den Anflug eines Lächelns.
»Komm, Väterchen«, sagte Clodius und schlang einen
Arm um Fonteius’ Schultern. »Ich bring dich jetzt nach Hause.« Er verfiel wieder in sein nervtötendes Jungmädchengelächter, dann verbeugte er sich vor Cicero und seinem Schwager und schloss sich der Prozession an.
»Du, Caesar, bist vielleicht fertig«, rief Celer ihnen hinterher. »Aber ich noch nicht! Ich bin der Statthalter von Gallia Transalpina, vergiss das nicht, ich kommandiere Legionen, du nicht! Ich habe noch gar nicht richtig angefangen!«
Seine Stimme war laut. Sie muss über das halbe Forum gedröhnt haben. Caesar jedoch verließ das Gebäude und trat hinaus ins Tageslicht, ohne sich anmerken zu lassen, ob er etwas gehört hatte. Als er und sein Gefolge fort und wir allein waren, ließ sich Cicero schwer auf die nächstgelegene Bank fallen und legte den Kopf in die Hände. Oben zwischen den Deckenbalken flatterten und gurrten die Tauben – bis zum heutigen Tag kann ich diese schmutzigen Vögel nicht hören, ohne sofort an das alte Senatsgebäude zu denken. Die Geräusche draußen auf der Straße kamen mir seltsam weit weg vor: unwirklich, so als säße ich schon im Kerker.
»Kein Grund zu verzweifeln, Cicero«, sagte Celer nach einiger Zeit mit forscher Stimme. »Noch ist er nicht Volkstribun – und wird es auch nie werden, wenn ich es irgendwie verhindern kann.«
»Crassus kann ich in die Knie zwingen«, sagte Cicero. »Pompeius kann ich austricksen. Ich habe es früher sogar geschafft, Caesar im Zaum halten. Aber alle drei zusammen, mit Clodius als Waffe?« Er schüttelte überdrüssig den Kopf. »Wie soll ich da überleben?«
Am gleichen Abend stattete Cicero Pompeius einen Besuch ab. Er nahm mich mit, zum einen, weil er damit klarmachen wollte, dass es sich um einen beruflichen und in keiner
Weise um einen gesellschaftlichen Besuch handelte, zum anderen, so mein Verdacht, zur Stützung seines Nervenkostüms. Wir trafen den großen Mann in seinem Junggesellenbastelraum an, wo er bei einem Schluck Wein seinem alten Armeekameraden und Gefolgsmann aus Picenum, Aulus Gabinius, das Modell seines Theaters vorführte. Gabinius überschlug sich vor Begeisterung. Er war der Mann, der als ehrgeiziger Volkstribun jene Gesetze eingebracht hatte, die Pompeius zu beispiellosen militärischen Vollmachten verholfen hatten, wofür er mit dem Legatsposten unter Pompeius im Osten angemessen entlohnt worden war. Er war viele Jahre weg gewesen, und während dieser Zeit hatte seine Frau, die schlampige Lollia – ohne Gabinius’ Wissen – eine Affäre mit Caesar unterhalten (zur gleichen Zeit schlief Caesar übrigens auch mit Pompeius’ Frau). Aber jetzt war Gabinius wieder in Rom – genauso ehrgeizig, hundertmal reicher als zuvor und mit dem festen Ziel, Konsul zu werden.
»Cicero, mein teurer Freund«, sagte Pompeius und stand auf, um ihn in die Arme zu schließen. »Wie wär’s mit einem Becher Wein?«
»Nein, danke«, sagte Cicero steif. »Fällt dir was auf?«, sagte Pompeius zu Gabinius. »Der Tonfall. Er will mir den Kopf waschen wegen dieser Sache heute Nachmittag, von der ich dir erzählt habe.«
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