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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Tag, und es waren kaum Menschen auf den Straßen, von denen sich einige wenige uns anschlossen. Als wir das herrschaftliche Haus erreicht hatten, hob Frugi seine Braut hoch, ignorierte die flehentlichen, der Tradition geschuldeten Bitten Terentias und trug sie über die Schwelle. Ich sah noch ein letztes Mal Tullias große, ängstliche Augen, die uns aus dem Innern des Hauses anschauten, dann schloss sich die Tür, und sie war verschwunden. Cicero und Terentia blieb nichts anderes übrig, als langsam wieder nach Hause zu gehen, schweigend, Hand in Hand.
    Bevor er an jenem Abend zu Bett ging, stand er an seinem Schreibpult und sagte bestimmt zwanzig Mal, wie leer das Haus ohne sie doch sei. »Nur ein einziges kleines Mitglied hat die Familie verlassen, und wie viel hat sie doch verloren! Weißt du noch, wie sie hier zu meinen Füßen gespielt hat, Tiro? Genau hier.« Er klopfte leicht mit dem Fuß auf den Boden unter dem Schreibpult. »Wie oft war sie
mein erstes Publikum für eine Rede – und hat nichts verstanden, das arme Ding. Tja, so ist das. Die Jahre treiben uns vor sich her wie Sturmböen das Laub, und man kann nichts dagegen tun.«
    Das waren seine letzten Worte an jenem Abend. Er ging in sein Schlafzimmer, und ich blies die Kerzen im Arbeitszimmer aus. Dann wünschte ich den Wachen im Atrium eine gute Nacht und ging mit der Lampe in mein winziges Zimmer. Ich stellte sie auf den Nachttisch neben meinem Bett, zog mich aus und lag wie üblich noch eine Zeit lang wach und ließ die Ereignisse des Tages an mir vorüberziehen, bis mich der Schlaf langsam übermannte.
    Es war Mitternacht, und es war sehr still.

    Geweckt wurde ich vom Geräusch trommelnder Fäuste gegen die Haustür. Ich schoss ruckartig in die Höhe. Ich konnte höchstens ein paar Augenblicke geschlafen haben. Wieder war das dumpfe Hämmern zu hören, dann wildes Hundegebell, Rufen und im Haus herumtrappelnde Füße. Ich riss meine Tunika vom Stuhl, lief los und streifte sie mir auf dem Weg ins Atrium über. Cicero ging schon die Treppe hinunter, vollständig angekleidet, vor ihm zwei Wachen mit gezogenem Schwert, hinter ihm Terentia, die Lockenwickler trug und sich ein Tuch übergeworfen hatte. Wieder donnerte es gegen die Tür, lauter jetzt – Knüppel oder Schuhe schlugen gegen das schwere Holz. Im Kinderzimmer fing der kleine Marcus an zu schreien. »Sieh nach, wer es ist«, sagte Cicero zu mir. »Aber auf keinen Fall aufmachen, bevor du mich gefragt hast.« Und zu einem der Ritter: »Geh mit!«
    Vorsichtig ging ich durch den Korridor. Wir hatten inzwischen einen Wachhund, einen bulligen schwarzbraunen
Sennenhund namens Sargon, wie die assyrischen Könige. Er knurrte und bellte und riss derart wild an seiner Kette, dass ich glaubte, er würde sie aus der Wand reißen. Ich rief: »Wer ist da?«
    So leise die Antwort auch war, ich verstand sie: »Marcus Licinius Crassus!«
    Über das Gelärme des Hundes hinweg rief ich Cicero zu: »Er sagt, er ist Crassus.«
    »Und? Ist er’s?«
    »Hört sich so an.«
    Cicero dachte kurz nach. Vermutlich kam ihm der Gedanke, dass Crassus ihn nur zu gern tot sehen würde. Andererseits würde ein Mann von Crassus’ Berühmtheit wohl kaum versuchen, einen amtierenden Konsul zu ermorden. Er straffte den Rücken und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Also gut, wenn er sagt, dass er Crassus ist, und wenn er sich auch so anhört wie Crassus, dann ist es wohl besser, wenn du ihn reinlässt.«
    Ich öffnete die Tür einen Spalt und sah etwa ein Dutzend Männer mit Fackeln. Crassus’ kahler Kopf leuchtete im gelben Licht wie ein Herbstmond. Ich machte die Tür weiter auf. Crassus beäugte abfällig den knurrenden Hund und drückte sich dann an ihm vorbei ins Haus. Er trug eine schäbige Aktenmappe aus Leder unter dem Arm. Nach ihm betraten sein allgegenwärtiger Schatten, der ehemalige Prätor Quintus Arrius, und zwei junge, mit Crassus befreundete Patrizier das Haus, die erst seit kurzem im Senat saßen, Marcus Claudius Marcellus und Quintus Scipio Nasica. Ihre Namen hatten auf der aktuellen Liste mit Catilinas möglichen Sympathisanten ganz oben gestanden. Ihre Eskorte wollte ebenfalls das Haus betreten, aber ich sagte den Männern, sie sollten draußen warten. Vier Feinde auf einmal reichte fürs Erste, dachte ich mir. Ich schloss die Tür wieder ab.
    »Also, Crassus, was willst du?«, fragte Cicero, als sein alter
Widersacher das Atrium betrat. »Für einen Höflichkeitsbesuch ist es zu spät und für

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