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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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und Quintus Scipio Nasica. Ein weiteres verdächtiges Zeichen war, dass Catilinas wichtigster militärischer Adjutant, der cholerische Gaius Manlius, nicht mehr in seinen Stammlokalen in den Seitenstraßen Roms verkehrte, sondern das Gerücht ging, er sei in Etrurien unterwegs, um bewaffnete Hilfsbanden für Catilina zu rekrutieren. Schriftliche Beweise dafür hatte Curius jedoch nicht, dafür war Catilina viel zu durchtrieben. Schließlich hatte Curius dann doch ein paar Fragen zu viel gestellt. Seine Mitverschwörer begannen ihm zu misstrauen und verbannten ihn aus ihrem engsten Kreis. Damit versiegte nach und nach Ciceros einzige Quelle aus erster Hand.
    Am Ende des Monats riskierte Cicero noch einmal seine Glaubwürdigkeit und brachte das Thema im Senat zur Sprache. Es war eine Katastrophe. »Ich habe die zuverlässige Information erhalten …«, begann er, musste aber gleich unterbrechen, weil die gesamte Kammer umgehend von einem prustenden Heiterkeitsanfall geschüttelt wurde. »Ich habe die zuverlässige Information erhalten« war exakt die einleitende Formulierung bei zwei seiner Reden gewesen, in denen er das Schreckgespenst Catilina heraufbeschworen hatte, und die seitdem zu einer Art satirischen Redewendung geworden war. Auf der Straße riefen ihm Witzbolde hinterher: »Oho, da geht Cicero, ob er wohl wieder zuverlässige Informationen erhalten hat?« Seine Feinde im Senat störten damit seine Reden: »Na, wenn das so ist, da hat er sicher zuverlässige Informationen erhalten.« Und nun hatte er es aus Versehen tatsächlich selbst noch einmal gesagt. Er lächelte
matt und gab sich unbekümmert, was er natürlich nicht war. Sobald sich über einen politischen Führer regelmäßig lustig gemacht wird, verliert er an Autorität und ist erledigt. »Bevor du rausgehst, vergiss nicht, deinen Panzer anzuziehen!«, rief ihm einer der Senatoren hinterher, als er, angeführt von seinen Liktoren, die Kammer verließ, worauf wieder brüllendes Gelächter ausbrach. Zu Hause schloss er sich in sein Arbeitszimmer ein und ließ sich tagelang kaum noch blicken. Er verbrachte mehr Zeit mit meinem Hilfssekretär Sositheus, worüber ich seltsam eifersüchtig war.
    Für seine gedrückte Stimmung gab es noch einen weiteren Grund, der ihm, wäre er allgemein bekanntgeworden, sehr peinlich gewesen wäre. Im Oktober würde die Hochzeit seiner Tochter stattfinden – ein Ereignis, dem er, wie er mir im Vertrauen sagte, mit Grauen entgegensehe. Nicht dass er ihren Bräutigam, den jungen Gaius Calpurnius Piso Frugi, nicht mochte: Er, Cicero, hatte die Verlobung ja schließlich vor Jahren selbst eingefädelt, um sich die Stimmen der Pisones zu sichern. Es war einfach so, dass er seine kleine Tulliola so sehr liebte, dass er den Gedanken, von ihr getrennt zu werden, nicht ertragen konnte. Als er ihr am Vortag der Trauung dabei zuschaute, wie sie nach dem Gebot der Tradition ihre Kinderspielsachen wegräumte, traten ihm die Tränen in die Augen, und er musste das Zimmer verlassen. Sie war erst vierzehn. Die Zeremonie fand am nächsten Morgen in Ciceros Haus statt, und mir wurde die Ehre zuteil, daran teilnehmen zu dürfen. Atticus und Quintus waren ebenso gekommen wie die vollzählige Piso-Sippschaft (bei allen Göttern, das war vielleicht ein hässlicher und sauertöpfischer Haufen!). Ich muss gestehen, als die ganz in Weiß gewandete Tullia, das Haar hochgebunden, den heiligen Gürtel um die Hüften geschlungen, von ihrer Mutter die Treppe heruntergeführt wurde, da musste auch ich weinen. Ich weine auch jetzt, da ich mich daran erinnere,
wie sie mit kindlich ernstem Gesicht den schlichten und doch so bedeutungsschweren Schwur leistete: »Wo du bist, Gaius, da bin ich, Gaia.« Frugi schob ihr den Ring über den Finger und küsste sie zärtlich auf den Mund. Dann aßen wir die Hochzeitstorte und opferten ein Stück davon Jupiter. Beim Hochzeitsmahl, der kleine Marcus saß auf dem Schoß seiner Schwester und versuchte, ihr den duftenden Blumenkranz vom Kopf zu reißen, brachte Cicero einen Trinkspruch auf das Wohl von Braut und Bräutigam aus.
    »Ich gebe dir das Beste, Frugi, was ich dir zu geben habe. Nie habe ich ein Wesen, das mehr Güte und Liebreiz, mehr Treue und Mut …«
    Er konnte nicht weiterreden, und unter dem mitfühlenden Mantel des lautstarken Beifalls setzte er sich.
    Danach gingen wir alle zusammen, der Konsul wie immer umgeben von seinen Leibwächtern, zum Familiensitz der Frugis auf dem Palatin. Es war ein kalter

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