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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Wüsteste zu beschimpfen, weil er den korruptesten Wahlkampf in der Geschichte Roms zugelassen habe. »Ich werde die Wahl vor den Gerichten anfechten. Die Beweise sind erdrückend. Diese Schlacht ist jedenfalls noch nicht vorüber!« Er stampfte aus dem Zelt, gefolgt von seinen Dienern mit ihren Aktentaschen voller Beweismittel. Cicero ließ sich erschöpft auf seinen kurulischen Stuhl fallen und fluchte. Ich versuchte es mit ein paar tröstenden Floskeln, aber er fuhr mir nur rüde über den Mund. Ich solle ruhig
sein und mich zur Abwechslung einmal nützlich machen und ihm diesen verdammten Brustpanzer abnehmen. Die Metallränder hatten seine Haut wundgerieben, und in dem Augenblick, als er sich von dem Schild befreit hatte, packte er ihn und schleuderte ihn wütend ans andere Ende des Zeltes, wo er scheppernd zu Boden fiel.

KAPITEL VIII
    E ine furchtbare Schwermut befiel Cicero, und zwar mit einer Wucht, wie ich sie bei ihm noch nie erlebt hatte. Terentia und die Kinder verließen Rom und verbrachten den Rest des Sommers in den kühleren Gefilden des höher gelegenen Tusculum, während der Konsul in der Stadt blieb und arbeitete. Die Hitze war drückender als sonst, und der Gestank, der aus dem großen Abflussgraben unterhalb des Forums aufstieg, hüllte die Hügel ein. Viele Hunderte Bürger wurden vom Sommerfieber dahingerafft, und die widerliche Luft wurde durch den Leichengeruch zusätzlich verpestet. Ich habe mich oft gefragt, was die Geschichtsschreibung über Cicero zu sagen gewusst hätte, wäre er zu jener Zeit einer tödlichen Krankheit zum Opfer gefallen. Und die Antwort lautet: sehr wenig. Er war damals dreiundvierzig Jahre alt und hatte keinen militärischen Sieg errungen. Er hatte kein großes Buch geschrieben. Sicher, er hatte es zum Konsul gebracht, aber das hatten auch viele unbedeutende Figuren, Hybrida war das beste Beispiel dafür. Das einzige Gesetz von Bedeutung, das er in die Rechtsprechung eingebracht hatte, war Servius’ Reformgesetz zur Wahlkampffinanzierung, und das war ihm von Herzen zuwider gewesen. Währenddessen befand sich Catilina immer noch in Freiheit, und Cicero hatte durch sein übernervöses Verhalten im Vorfeld der Wahl viel von seinem Prestige eingebüßt.
Als der Sommer in den Herbst überging, war sein Konsulat zu drei Vierteln vorüber und dümpelte ziellos dahin  – eine Tatsache, die niemandem so deutlich bewusst war wie ihm selbst.
    Eines Tages im September ließ ich ihn mit einem Stapel juristischer Schriftstücke, die er noch durcharbeiten wollte, allein. Die Wahlen lagen inzwischen zwei Monate zurück. Servius hatte seine Klagedrohung gegen Murena wahrgemacht und wollte dessen Wahlsieg für null und nichtig erklären lassen. Cicero glaubte, notgedrungen den Mann verteidigen zu müssen, zu dessen Wahlsieg er so viel beigesteuert hatte. Wieder einmal würde er an der Seite von Hortensius vor Gericht auftreten. Die Masse an Beweismaterial, die es zu sichten galt, war riesig. Als ich jedoch einige Stunden später zurückkehrte, lagen die Schriftstücke unberührt auf seinem Schreibpult, und er befand sich immer noch auf seinem Sofa. Er umklammerte ein Kissen, das auf seinem Bauch lag, und ich fragte ihn, ob er krank sei. »Die ganze Arbeit, all die Mühen, das hat doch alles keinen Sinn«, jammerte er. »Niemand wird sich je an meinen Namen erinnern – schon in einem Jahr nicht mehr, von tausend gar nicht zu reden. Ich bin am Ende, ein Versager auf der ganzen Linie.« Mit dem Handrücken auf der Stirn lag er seufzend da und starrte an die Decke. »Was hatte ich für Träume, Tiro, große Hoffnungen auf Ruhm und Ansehen. So berühmt wie Alexander wollte ich werden. Aber irgendwie ist alles misslungen. Und weißt du, was mich am meisten quält, wenn ich nachts wach im Bett liege? Dass ich nicht weiß, was ich hätte anders machen sollen.«
    Cicero stand immer noch in Kontakt mit Curius, dessen Kummer über den Tod seiner Geliebten nicht nachgelassen hatte. Tatsächlich quälte ihn ihr Tod mehr als je zuvor. Von ihm hatte Cicero erfahren, dass Catilina nach wie vor dunkle Pläne gegen den Staat schmiedete und diese sogar noch
energischer vorantrieb. Es gab beunruhigende Berichte über Wagenladungen voller Waffen, die außerhalb Roms im Schutz der Dunkelheit über die Straßen rollten. Neue Listen waren aufgetaucht mit Namen von Senatoren, die mit Catilina sympathisierten, darunter laut Curius nun auch zwei junge patrizische Senatoren namens Marcus Claudius Marcellus

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