02 Titan
Crassus. »Ich war immer ein Anhänger von Catilina. Aber damit wollen wir nichts zu tun haben.«
Cicero stützte sein Kinn auf die Hand und sagte eine Zeit lang nichts. Dann schaute er erst Marcellus, danach Scipio an. »Und die Warnungen, die ihr bekommen habt? Genau die gleichen?« Die beiden jungen Senatoren nickten. »Anonym?« Wieder Nicken. »Irgendeine Idee, von wem sie stammen könnten?« Sie schüttelten den Kopf. Für zwei derart arrogante junge Adelige waren die beiden sanftmütig wie Lämmchen.
»Der Absender ist ein Rätsel«, sagte Crassus. »Mein Türwächter hat uns die Briefe nach dem Abendessen gegeben.
Er hat nicht gesehen, wer sie gebracht hat, sie lagen auf den Stufen vor der Tür, der Bote muss gleich weggelaufen sein. Marcellus und Scipio haben ihre Briefe natürlich genau zur selben Zeit gelesen, wie ich meinen.«
»Natürlich. Kann ich die anderen Briefe sehen?«
Crassus griff in die Mappe und gab ihm nacheinander die restlichen Briefe. Cicero schaute sich jeden Namen an und zeigte sie dann mir. Ich erinnere mich an einen Claudius, einen Aemilius, einen Valerius und noch andere vom gleichen Schlag, Hybrida war auch dabei, insgesamt acht oder neun, allesamt Patrizier.
»Scheint so, als wollte er alle seine Jagdkumpane warnen«, sagte Cicero. »Um alter Zeiten willen. Ist doch komisch, oder nicht, dass die alle an dich geschickt wurden? Warum? Was glaubst du?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Das ist schon eine sehr merkwürdige Verschwörung, die sich eines Mannes als Boten bedient, der von sich behauptet, er habe mit der Verschwörung nichts zu tun.«
»Tut mir leid, da kann ich dir auch nicht weiterhelfen.«
»Vielleicht ist es nur ein übler Scherz.«
»Vielleicht. Aber wenn man die beunruhigenden Entwicklungen in Etrurien bedenkt und dann, wie nahe sich Catilina und Manlius stehen … Nein, ich glaube, das muss man ernst nehmen. Ich fürchte, ich muss mich bei dir entschuldigen, Konsul. Catilina scheint doch eine Bedrohung für die Republik darzustellen.«
»Er ist eine Bedrohung für uns alle.«
»Wenn ich irgendwie helfen kann … Sag mir, was ich tun soll.«
»Als Erstes brauche ich diese Briefe, und zwar alle.«
Crassus zögerte, schaute seine Begleiter an und gab Cicero dann die Aktenmappe. »Ich nehme an, du wirst sie dem Senat vorlegen, oder?«
»Das muss ich wohl. Außerdem brauche ich eine Erklärung von Arrius bezüglich der Beobachtungen, die er in Etrurien gemacht hat. Darf ich darauf zählen, Arrius?«
Arrius schaute ratsuchend zu Crassus. Crassus nickte. »Heinverstanden«, sagte Arrius.
»Wirst du den Senat um Vollmacht zur Einberufung einer Armee ersuchen?«, fragte Crassus.
»Rom muss geschützt werden.«
»Darf ich mir noch eine Bemerkung erlauben? Solltest du einen Befehlshaber für eine solche Truppe benötigen, brauchst du nicht weiter zu suchen. Darf ich dich daran erinnern, dass ich die Revolte von Spartacus niedergeschlagen habe? Einen Aufstand von Manlius würde ich ebenso erfolgreich beenden.«
Wie Cicero später bemerkte, die Unverfrorenheit des Mannes war verblüffend. Erst war er als Handlanger Catilinas mit dafür verantwortlich, dass die Bedrohung überhaupt entstanden war, und jetzt hoffte er, das Verdienst für ihre Beseitigung beanspruchen zu können! Ciceros Antwort war unverbindlich. Über die Ernennung von Generälen für eine noch nicht einmal aufgestellte Armee zu befinden sei so spät am Abend wohl nicht der richtige Zeitpunkt, vor einer Entscheidung wolle er die Angelegenheit noch überschlafen.
»Aber wenn du deine Erklärung abgibst, darf ich doch darauf hoffen, dass du meiner patriotischen Haltung Anerkennung zollst?«
»Du kannst dich darauf verlassen«, sagte Cicero, als er Crassus aus dem Arbeitszimmer ins Atrium geleitete, wo die Wachen auf uns warteten.
»Wenn ich sonst noch etwas für dich tun kann …«, sagte Crassus.
»Es gibt da in der Tat noch etwas, wofür ich dir dankbar wäre«, sagte Cicero, der es nie versäumte, eine günstige Gelegenheit beim Schopf zu packen. »Sollte die Klage gegen
Murena Erfolg haben, so würde sie uns in einer sehr gefährlichen Lage eines Konsuls berauben. Wärst du bereit, Hortensius und mich bei seiner Verteidigung zu unterstützen?«
Natürlich war das das Letzte, was Crassus tun wollte, aber er fand sich ins Unvermeidliche. »Es wäre mir eine Ehre«, sagte er.
Die beiden Männer gaben sich die Hand. »Du glaubst nicht«, sagte Cicero, »wie froh ich bin, dass etwaige
Weitere Kostenlose Bücher