02 Titan
widersprach Catulus.
»Es geht um einen Skandal«, sagte Hortensius.
»Um Krieg«, ergänzte Isauricus. »Um nichts anderes handelt es sich.«
»Nun, ich bedauere zutiefst, das zu hören«, antwortete Cicero freundlich. Er nahm die Anwesenden nicht ganz ernst. Wie so viele reiche alte Männer neigten sie dazu, die geringste
persönliche Unannehmlichkeit für das Ende der Welt zu halten.
Hortensius schnippte mit den Fingern, und sein Diener händigte Cicero ein Rechtsdokument mit einem schweren Siegel aus. »Der Rat der Volkstribunen hat Rabirius gestern diese Klageschrift zustellen lassen.«
Bei der Erwähnung seines Namens hob Rabirius den Kopf. »Kann ich wieder nach Hause?«, fragte er mit weinerlicher Stimme.
»Später«, sagte Hortensius scharf, worauf der Alte wieder den Kopf senkte.
»Eine Klage? Gegen Rabirius?«, wiederholte Cicero und schaute ihn verwirrt an. »Und was soll das für ein Verbrechen sein, dessen man ihn für fähig hält?« Er las die Klageschrift laut vor, so dass ich mir Notizen machen konnte. »Der Angeklagte wird hiermit beschuldigt des Mordes an Volkstribun Lucius Appuleius Saturninus und der Verletzung des heiligen Bodens des Senatsgebäudes.« Er schaute verblüfft auf. »Saturninus? Aber das ist doch schon … na ja, sicher vierzig Jahre her, oder?«
»Sechsunddreißig«, korrigierte ihn Catulus.
»Und Catulus muss es ja wissen«, sagte Isauricus. »Er war schließlich dabei. Und ich auch.«
»Saturninus!« Catulus spuckte den Namen aus, als wäre er Gift. »Was für ein Schurke! Ihn umzubringen war kein Verbrechen – das war ein Dienst am Gemeinwohl.« Er schaute in die Ferne, als begutachtete er an einer Tempelwand ein prachtvolles historisches Gemälde: Saturninus’ Ermordung im Senat. »Ich sehe ihn so deutlich vor mir wie dich, Cicero. Ein aufwieglerischer Volkstribun der übelsten Sorte. Er ermordete unseren Kandidaten für das Konsulat, worauf ihn der Senat zum Staatsfeind erklärte. Danach wollte sogar der Pöbel nichts mehr mit ihm zu tun haben. Aber bevor wir ihn festsetzen konnten, verbarrikadierten sich er und ein
paar aus seiner Bande auf dem Kapitol. Da haben wir ihm die Wasserzufuhr abgeschnitten! Das war deine Idee, Vatia.«
»Stimmt.« Die Augen des alten Generals leuchteten bei der Erinnerung. »Schon damals wusste ich, wie man eine anständige Belagerung durchführt.«
»Natürlich kapitulierten sie nach einigen Tagen. Bis zu ihrem Prozess wurden sie im Senatsgebäude unter Verschluss gehalten. Aber wir trauten ihnen nicht, wir glaubten, sie würde wieder fliehen. Also sind wir aufs Dach gestiegen, haben die Ziegel abgedeckt und sie mit Steinen bombardiert. Es gab keinen Winkel, wo sie sich verstecken konnten. Winselnd hetzten sie hin und her, wie Ratten in einer Senkgrube. Als Saturninus schließlich zu zucken aufhörte, konnte man ihn kaum noch erkennen.«
»Und mit euch beiden war auch Rabirius auf dem Dach?«, fragte Cicero. Ich hob den Blick von meinen Notizen und schaute hinüber zu dem alten Mann. Sein Gesichtsausdruck war leer, der Kopf zitterte leicht, kaum vorstellbar, dass er einst in eine derartige Unternehmung verwickelt gewesen war.
»Ja, er war dabei«, stimmte Isauricus zu. »Wir waren insgesamt etwa dreißig. Damals …« Er ballte die Finger zur knorrigen Faust. »Damals standen wir noch voll im Saft.«
»Der entscheidende Punkt ist nicht, ob Rabirius auf dem Dach war oder nicht«, warf Hortensius gelangweilt ein – er war jünger als seine Mitstreiter und der ewig gleichen Geschichte offenbar überdrüssig. »Der entscheidende Punkt ist, welchen Verbrechens man ihn beschuldigt.«
»Und das wäre? Mord?«
»Perduellio.«
Ich muss gestehen, dass ich das Wort noch nie gehört hatte und es mir von Cicero buchstabieren lassen musste. »Perduellio«, erklärte er, »ist das Wort, mit dem unsere Vorväter Hochverrat bezeichnet haben.« Er wandte sich an Hortensius.
»Warum graben die ein Gesetz aus, das kein Mensch mehr anwendet? Warum klagen sie ihn nicht einfach des Hochverrats an, und Schluss?«
»Weil die Strafe für Hochverrat Exil ist, die für perduellio aber Tod – und obendrein nicht durch Hängen.« Hortensius beugte sich vor, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Lautet das Urteil auf schuldig, dann wird Rabirius gekreuzigt werden.«
»Was ist das für ein Haus?«, fragte Rabirius und erhob sich. »Wo bin ich hier?«
Catulus drückte ihn auf seinen Stuhl zurück. »Beruhige dich, Gaius. Wir sind deine
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