02 Titan
so mein Konsulat aus, Tiro? Soll ich das ganze Jahr zwischen Patriziern und Popularen hin- und herrennen, damit sie sich nicht gegenseitig in Stücke reißen?« Da mir keine tröstliche Antwort einfiel, stapften wir schweigend weiter.
Zu jener Zeit lag Caesars Haus in Subura, ein gutes Stück unterhalb von dem Ciceros. Es befand sich seit mindestens hundert Jahren in Familienbesitz und war in seinen besten Tagen bestimmt tadellos gewesen. Als Caesar es erbte, war das Viertel jedoch schon heruntergekommen. Selbst der jungfräuliche Schnee, der mit der Asche ausgebrannter Straßenfeuer und den menschlichen Exkrementen besudelt war, die man aus den Fenstern der Mietwohnungen gekippt hatte, verstärkte nur den verwahrlosten Eindruck, den die engen Straßen machten. Bettler streckten ihre zitternden Hände aus, aber ich hatte kein Geld mitgenommen. Ich weiß noch, dass Straßenjungen eine ältere, zeternde Hure mit Schneebällen traktierten, und zweimal sahen wir Finger und Füße aus einem Schneehügel ragen, wo in der Nacht irgendein armes Schwein erfroren war.
Hier unten in Subura lauerte Caesar und wartete auf seine Chance – wie ein großer von Schmarotzerfischen umschwirrter Hai. Sein Haus befand sich am Ende einer Straße mit Schuhmachern, gesäumt von zwei heruntergekommenen, sieben oder acht Stockwerke hohen Wohnblöcken. Die dazwischen aufgespannte Wäsche war gefroren, die beiden Häuser sahen aus wie zwei Betrunkene, die sich mit zerfledderten Ärmeln über Caesars Dach hinweg umarmten. Vor dem Eingang drängten sich etwa ein Dutzend grobschlächtiger Männer um eine eiserne Kohlenpfanne. Während wir darauf warteten, eingelassen zu werden, konnte ich förmlich ihre begierigen, verschlagenen Blicke spüren, mit denen sie mir die Kleidung vom Leib rissen.
»Das sind die Bürger, die über Rabirius richten werden«, flüsterte Cicero. »Der alte Trottel hat keine Chance.«
Der Hausverwalter nahm uns die Umhänge ab, führte uns ins Atrium und entfernte sich dann, um seinem Herrn Ciceros Ankunft zu melden, so dass wir die Totenmasken von Caesars Ahnen studieren konnten. Seltsamerweise befanden sich unter Caesars direkten Vorfahren nur drei Konsuln, eine kurze Liste für eine Familie, die für sich in Anspruch nahm, dass sie bis zur Gründung Roms zurückreichte und ihre Ursprünge im Schoß der Venus wurzelten. Die Göttin selbst war in Form einer kleinen Bronzestatue vertreten. Sie war zwar von erlesenem Geschmack, aber zerschrammt und schäbig, genau wie die Teppiche, die Fresken, die zerschlissenen Wandbehänge und die Möbel: Alles zeugte von einer stolzen Familie, die in schlimme Fahrwasser geraten war. Die Zeit verstrich, und wir hatten reichlich Muße, die Familienerbstücke zu würdigen, da Caesar nicht erschien.
»Man kann den Burschen nur bewundern«, sagte Cicero, nachdem er den Raum drei oder vier Mal durchschritten hatte. »Noch ein paar Stunden, und ich bin der bedeutendste Mann Roms, während er es noch nicht mal bis zum Prätor gebracht hat. Und trotzdem bin ich es, der um ihn herumscharwenzeln muss.«
Nach einer Weile bemerkte ich, dass wir von einem etwa zehnjährigen Mädchen beobachtet wurden, das mit ernstem Gesicht hinter einer Tür hervorlugte. Wahrscheinlich Caesars Tochter Julia. Ich lächelte sie an, und sie lief weg. Kurz danach betrat durch dieselbe Tür Caesars Mutter Aurelia den Raum. Ihr Gesicht – schmal, dunkle Augen, wachsam – ähnelte dem eines Raubvogels, wie das von Caesar. Beide umgab die gleiche Aura kühler Freundlichkeit. Cicero kannte sie schon seit vielen Jahren. Ihre drei Brüder, die Cottas, waren alle Konsuln gewesen, und wäre Aurelia als Mann auf die Welt gekommen, dann hätte sie dieses Amt zweifellos
selbst erreicht, denn sie war klüger und mutiger als jeder ihrer Brüder. So musste sie sich damit bescheiden, die Karriere ihres Sohnes zu befördern. Als ihr ältester Bruder starb, sorgte sie dafür, dass Caesar seinen Platz im fünfzehnköpfigen Priesterkollegium der Pontifices einnahm – ein brillanter Zug, wie sich herausstellen sollte.
»Du musst ihm seine Unhöflichkeit nachsehen, Cicero«, sagte sie. »Ich habe ihn daran erinnert, dass du da bist, aber du weißt ja, wie er ist.« Wir hörten Schritte, schauten uns um und sahen im Durchgang zur Haustür eine Frau. Ohne Frage hatte sie gehofft, sich unbemerkt an uns vorbeischleichen zu können, doch offenbar war sie über die losen Bänder eines ihrer Schuhe gestolpert. Sie lehnte jetzt an der
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