02 Titan
Wand und zog sich die Bänder wieder fest. Das kastanienbraune Haar hing ihr wirr ins Gesicht, sie schaute peinlich berührt in unsere Richtung, und ich weiß nicht, wer in diesem Augenblick verlegener war: Postumia – so hieß die Frau – oder Cicero, der sie sehr gut kannte. Sie war die Frau seines intimen Freundes, des Juristen und Senators Servius Sulpicius Rufus. Tatsächlich gehörte sie zu den Gästen, die für den gleichen Abend bei Cicero zum Essen geladen waren.
Schnell wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Venusstatue zu und tat so, als wäre er in ein Gespräch vertieft. »Eine sehr schöne Arbeit. Ist die von Myron?« Er schaute nicht mehr auf, bis Postumia verschwunden war.
»Taktvoll gelöst«, sagte Aurelia anerkennend, doch dann verdunkelte sich ihr Gesichtsausdruck, und sie schüttelte den Kopf. »Ich verachte meinen Sohn nicht für seine Affären, Männer bleiben eben immer Männer, aber die Schamlosigkeit von einigen dieser modernen Frauen kann ich nicht fassen.«
»Was lästert ihr beiden da?«
Überraschend von hinten aufzutauchen, das war eine von
Caesars Schlichen, im Krieg wie im Frieden. Beim Klang seiner staubtrockenen Stimme drehten wir uns alle drei um. Noch heute habe ich sein Bild vor Augen, den großen Kopf, der sich wie ein Totenschädel gegen das verblassende Licht des Nachmittags abzeichnete. Immer wieder löchern mich die Leute seinetwegen: »Du hast Caesar getroffen? Wie war er? Los, erzähl, wie war er, der große Gott Caesar!« Nun ja, ich erinnere mich an ihn als eine seltsame Mischung aus Hart und Weich – die Muskeln eines Soldaten in der locker gegürteten Tunika eines verweichlichten Lebemanns; der beißende Schweißgeruch des Exerzierplatzes, überdeckt von süßlichem Krokusölduft; erbarmungsloser Ehrgeiz, umhüllt von honigsüßem Charme.
»Nimm dich in Acht vor ihr, Cicero«, fuhr er fort und trat nun ganz aus dem Schatten heraus. »Was politische Raffinesse angeht, steckt sie uns zweimal in die Tasche, stimmt’s nicht, Mama?« Er umfasste von hinten ihre Taille und küsste sie unter dem Ohr auf den Nacken.
»Hör auf mit dem Unsinn«, sagte sie und machte sich scheinbar empört von ihm los. »Ich habe jetzt lange genug die Gastgeberin gespielt. Wo ist deine Frau? Es ziemt sich nicht, ständig ohne Begleitung auszugehen. Schick sie zu mir, wenn sie zurückkommt.« Sie neigte anmutig vor Cicero den Kopf. »Ich wünsche dir für morgen nur das Beste. Es ist immer eine bemerkenswerte Leistung, wenn man als Erster aus seiner Familie das Konsulat erringt.«
Caesar schaute ihr voller Bewunderung hinterher. »Ganz im Ernst, Cicero«, sagte er. »Die Frauen in dieser Stadt sind weitaus eindrucksvoller als die Männer. Deine Frau ist das beste Beispiel.«
Wollte Caesar mit dieser Bemerkung andeuten, dass es ihn reizte, Terentia zu verführen? Wohl kaum. Den feindseligsten Stamm in Gallien zu erobern wäre weniger beschwerlich gewesen. Aber ich bemerkte, dass Cicero sich zusammenreißen
musste. »Ich bin nicht gekommen, um über die Frauen von Rom zu diskutieren«, sagte er. »So sachkundig du auf diesem Feld auch sein magst.«
»Warum bist du dann gekommen?«
Cicero nickte mir zu. Ich öffnete meine Aktentasche und gab Caesar die Klageschrift.
»Willst du mich bestechen?«, sagte Caesar lächelnd und gab mir das Schriftstück umgehend zurück. »Ich kann dar über nicht sprechen. Ich werde einer der Richter sein.«
»Ich will, dass du Rabirius von diesen Anschuldigungen freisprichst.«
Caesar gluckste auf die ihm eigene freudlose Art und strich sich eine Strähne seines dünnen Haars hinter das Ohr. »Daran zweifle ich nicht.«
»Nun, Caesar«, sagte Cicero mit leicht ungeduldiger Stimme. »Lass uns offen reden. Jeder weiß, dass die Volkstribunen auf deine und Crassus’ Weisungen handeln. Ich bezweifle sehr, dass Labienus auch nur den Namen seines jämmerlichen Onkels kannte, bevor du ihn ihm genannt hast. Und was Sura angeht – wenn ihn keiner eines Besseren belehrt hat, dann hat er perduellio wahrscheinlich für eine Fischgattung gehalten. Das ist doch nur wieder eine von deinen Intrigen.«
»Tut mir leid, aber ich kann wirklich keinen Fall diskutieren, über den ich zu richten habe.«
»Du kannst es ruhig zugeben: Der wahre Zweck dieser Anklage ist es, den Senat einzuschüchtern.«
»Du musst deine Fragen Labienus stellen.«
»Ich stelle sie dir.«
»Also gut, wenn du mich so drängst. Ich würde die Anklage eine Mahnung nennen: Sollte der
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