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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Freunde.«
    »Aber schaut ihn doch an, kein Geschworener wird ihn schuldigsprechen«, sagte Cicero ruhig. »Der arme Kerl ist doch eindeutig nicht ganz bei Verstand.«
    »Perduellio wird nicht vor einem Geschworenengericht verhandelt. Das ist ja das Gerissene. Zwei Richter verhandeln den Fall, und die werden speziell für diesen Zweck ernannt.«
    »Von wem ernannt?«
    »Von unserem neuen Stadtprätor Lentulus Sura.«
    Cicero verzog das Gesicht. Publius Lentulus Sura war ein ehemaliger Konsul, ein höchst ehrgeiziger und grenzenlos dummer Mensch, zwei Eigenschaften, die in der Politik oft Hand in Hand gehen.
    »Und wen hat unsere ›Alte Schnarchnase‹ als Richter ausgewählt? Weiß man das schon?«
    »Einer ist Caesar. Und der andere ist Caesar.«
    »Was?«
    »Gaius Julius Caesar und sein Neffe Lucius wurden bestimmt, den Fall zu verhandeln.«
    »Caesar steckt hinter der Geschichte?«
    »Das Urteil steht natürlich schon im Voraus fest.«
    »Aber es muss doch ein Recht auf Berufung geben«, sagte
Cicero, der nun ernstlich beunruhigt war. »Ein Bürger Roms kann nicht ohne ordentlichen Prozess hingerichtet werden.«
    »Sicher«, sagte Hortensius bitter. »Wenn Rabirius für schuldig befunden wird, hat er natürlich das Recht auf Berufung. Genau das ist der Haken. Nicht vor einem Gericht – sondern nur vor dem gesamten Volk, auf dem Marsfeld.«
    »Das wird ein Spektakel werden!«, platzte es aus Catulus heraus. »Könnt ihr euch das vorstellen? Der Pöbel entscheidet über das Leben eines römischen Senators? Der Pöbel wird ihn nie freisprechen – da würde er sich ja eine Mordsunterhaltung entgehen lassen.«
    »Das bedeutet Bürgerkrieg«, sagte Isauricus. »Das werden wir niemals dulden, Cicero. Hast du das verstanden?«
    »Ich habe euch verstanden«, antwortete er, während sein Blick über das Schriftstück huschte. »Welcher Volkstribun hat die Klage eingereicht?« Er fand den Namen unten auf dem Dokument. »Labienus? Das ist einer von Pompeius’ Leuten. Der ist doch sonst kein Unruhestifter. Was bezweckt er damit?«
    »Offenbar ist sein Onkel damals zusammen mit Saturninus getötet worden«, sagte Hortensius verächtlich. »Seine Familienehre fordert Rache. Alles Unsinn. Die ganze Geschichte ist nur ein Vorwand für Caesar und seine Bande, gegen den Senat vorzugehen.«
    »Was schlägst du also vor, Cicero?«, sagte Catulus forsch. »Wir haben dir unsere Stimme gegeben, wie du dich sicher erinnerst. Einige von uns wider besseres Wissen.«
    »Was erwartet ihr? Was soll ich tun?«
    »Na, was wohl? Kämpf um Rabirius’ Leben! Prangere diese Infamie in aller Öffentlichkeit an, und tritt an Hortensius’ Seite als Verteidiger auf, wenn der Fall vor dem Volk zur Verhandlung kommt.«
    »Tja, das wäre zumindest mal was Neues«, sagte Cicero
und beäugte seinen großen Rivalen. »Wir beide Seite an Seite.«
    »Die Aussicht ist für mich genauso wenig verlockend wie für dich«, erwiderte Hortensius kühl.
    »Sei nicht gleich beleidigt, Hortensius. Es wäre mir eine Ehre, als dein Kollege vor Gericht aufzutreten. Aber wir dürfen nicht vorschnell in ihre Falle tappen. Erst einmal sollten wir ausloten, ob wir die Angelegenheit nicht ohne Verhandlung bereinigen können.«
    »Wie soll das gehen?«
    »Ich werde mit Caesar sprechen. Herausfinden, was er will. Vielleicht können wir einen Kompromiss schließen.« Bei der bloßen Erwähnung des Wortes Kompromiss erhoben die drei Exkonsuln alle sofort Widerspruch. Cicero hob die Hände. »Er muss was anderes wollen. Es wird uns nicht schaden, wenigstens seine Bedingungen anzuhören. Das schulden wir der Republik. Und Rabirius.«
    »Ich will nach Hause«, sagte Rabirius wehleidig. »Kann ich jetzt bitte nach Hause?«

    Keine Stunde später verließen Cicero und ich das Haus. Der ungewohnte Schnee knirschte unter unseren Sohlen, als wir auf der leeren Straße in die Stadt hinuntergingen. Wieder waren wir allein unterwegs, eine Tatsache, die mir heute bemerkenswert erscheint – es war vielleicht das letzte Mal, dass Cicero sich ohne Leibwächter in die Stadt wagen konnte. Trotzdem zog er sich die Kapuze seines Umhangs über den Kopf, um nicht erkannt zu werden: In jenem Winter konnte man selbst bei Tag die belebtesten Hauptstraßen nicht als sicher bezeichnen.
    »Sie werden einem Kompromiss zustimmen müssen«, sagte er. »Das gefällt ihnen vielleicht nicht, aber sie haben
keine Wahl.« Plötzlich fluchte er und trat übellaunig einen Klumpen Schnee in die Luft. »Sieht

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