02 - Winnetou II
den beiden Ausgängen des Tales, sondern sie sind im Tal selbst. Sie haben sich da vorn festgesetzt und die Ausgänge verbarrikadiert. So können sie sich nach links und rechts wenden, ganz wie es ihnen nötig erscheint. Sie zu vertreiben, ist unmöglich. –“
„Wir sind ihnen ja weit überlegen.“
„Wie viele Krieger habt ihr bereits eingebüßt?“
„Der große Geist hat viele von uns zu sich gefordert. Es sind schon über zehnmal zehn. Und auch Pferde sind zu Grunde gegangen.“
„So dürft ihr in dieser Nacht nichts mehr unternehmen, weil es euch grad so ergehen würde, wie das letztemal. Und am Tag werden die Apachen sich so aufstellen, daß sie euch mit ihren Waffen, ihr aber nicht sie mit den eurigen erreichen könnt. Dann werden auch die Scharen eintreffen, nach denen Winnetou gesandt hat, und es sind nachher mehr Apachen als Comanchen vorhanden. Ihr seid dem Tode geweiht.“
„Ist das wirklich die Meinung meines Bruders? Wir werden seinen Rat befolgen, wenn er uns zu retten vermag.“
„Da du von Rettung sprichst, so hast du hoffentlich eingesehen, daß ich recht hatte, als ich dieses Tal eine Falle nannte. Wenn ich über die Sache nachdenke, so finde ich zwei Wege, auf denen die Rettung versucht werden könnte, aber auch nur versucht, denn ob sie wirklich gelingen wird, das kann ich nicht wissen. Der erste ist, daß ihr versucht, ob es möglich ist, an dem Felsen empor zu klettern. Aber ihr müßtet dafür den Anbruch des Tages abwarten; die Apachen würden euch somit sehen und sich jenseits des Tales auf euch werfen. Dort sind sie euch überlegen, weil ihr eure Pferde nicht mitnehmen könnt. Es gibt also nur noch ein Mittel, euch zu retten. Tretet in Unterhandlung mit den Apachen!“
„Das tun wir nicht!“ brauste der Häuptling auf. „Die Apachen würden unsern Tod verlangen.“
„Das verdenke ich ihnen auch nicht, weil ihr ihnen Grund dazu gegeben habt. Ihr habt mitten im Frieden ihre Dörfer überfallen, ihre Habe geraubt, ihre Weiber und Töchter fortgeführt und ihre Krieger getötet oder zu Tode gemartert. Ihr habt dann ihren Abgesandten das Wort gebrochen und sie ermordet. So schändliche Taten schreien um Rache, und es ist darum gar kein Wunder, daß ihr keine Gnade von den Apachen zu erwarten habt. Du siehst das selbst ein und gibst damit zu, daß ihr ganz unverantwortlich an ihnen gesündigt habt.“
Das war höchst aufrichtig gesprochen, so aufrichtig, daß der Häuptling für eine ganze Weile verstummte.
„Uff!“ stieß er dann hervor. „Das sagst du mir, mir, dem Häuptling der Comanchen!“
„Ich würde es dir sagen, auch wenn du der Große Geist selber wärest. Es war eine Schändlichkeit von euch, in dieser Weise an den Apachen zu handeln, welche euch nichts zugefügt hatten. Was taten euch ihre Gesandten, daß ihr sie tötetet? Was taten sie euch wieder, daß ihr den jetzigen Kriegszug unternehmt, um Tod, Verderben und Schande über sie zu bringen? Antworte mir!“
Der Indianer stieß erst nach längerer Zeit grimmig hervor:
„Sie sind unsere Feinde.“
„Nein. Sie lebten in Frieden mit euch, und kein Abgesandter von euch hat ihnen die Botschaft gebracht, daß ihr das Kriegsbeil gegen sie ausgegraben habt. Ihr seid euch eurer Schuld sehr wohl bewußt. Darum hegst du die Überzeugung, daß ihr keine Gnade zu erwarten habt. Und doch wäre es möglich, einen leidlichen Frieden mit ihnen zu schließen. Es ist ein Glück für euch, daß Winnetou ihr Anführer ist, denn er trachtet nicht nach Blut. Er ist der einzige Häuptling der Apachen, welcher sich vielleicht zur Milde gegen euch entschließen könnte. Sendet einen Mann an ihn, um eine Unterhandlung herbeizuführen. Ich selbst will mich sogar bereit finden lassen, zu gehen, um ihn nachgiebig für euch zu stimmen.“
„Die Comanchen werden lieber sterben, als die Apachen um Gnade bitten.“
„Nun, das ist eure Sache. Ich habe dir jetzt meinen Rat erteilt. Ob du ihn befolgst oder nicht, das ist mir außerordentlich gleichgültig.“
„Weiß mein Bruder keine andere Hilfe? Er redet zu Gunsten der Apachen; also ist er ein Freund derselben.“
„Ich bin allen roten Männern wohlgesinnt, so lange sie mich nicht feindselig behandeln. Die Apachen haben mir nicht das geringste Leid getan. Warum soll ich ihr Feind sein? Aber ihr habt uns feindselig behandeln wollen. Du wolltest uns gefangen nehmen. Nun wäge ab, wer größeres Anrecht auf unsere Freundschaft hat, ihr oder sie.“
„Du trägst mein Calumet
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