02 - Winnetou II
tat er wenigstens das eine, in zischendem Tone hervorzustoßen:
„Die Bleichgesichter sind jetzt sicher, daß ihnen nichts geschieht, aber sobald sie mir das Calumet und die Medizin zurückgegeben haben, wird Feindschaft zwischen ihnen und uns sein, bis sie am Marterpfahl gestorben sind!“ Er wendete sich um und eilte von dannen.
„Wir sind jetzt so sicher wie in Abrahams Schoß“, sagte der Scout, „trotzdem aber wollen wir keine Vorsichtsmaßregel unterlassen. Wir bleiben nicht hier beim Feuer, sondern ziehen uns nach dem Hintergrund des Tales zurück und warten da ganz ruhig ab, was nun geschehen wird. Kommt, Mesch'schurs, nehmt die Pferde mit!“
Jeder nahm sein Pferd am Zügel. So begaben wir uns in die bezeichnete Gegend, wo wir die Pferde anpflockten und uns am Fuß der Talwand unter den Bäumen niederließen. Das Feuer leuchtete vom verlassenen Lagerplatz her. Rundum herrschte tiefe Stille.
„Warten wir die Sache ab“, sagte der Scout. „Ich vermute, daß der Tanz sehr bald beginnen werde. Die Comanchen werden unter einem satanischen Geheul losbrechen, aber mancher von ihnen wird seine Stimme zum letztenmal erhoben haben. Da – da habt ihr es ja schon!“
Das Geheul, von welchem er gesprochen hatte, erhob sich jetzt, als ob eine Herde wilder Tiere losgelassen worden sei.
„Horcht! Hört ihr einen Apachen antworten?“ fragte der Alte. „Gewiß nicht. Die sind klug und machen ihre Arbeit in aller Stille ab.“
Die Felswände gaben das Kriegsgeschrei in vervielfachter Stärke zurück, ebenso wiederholte das Echo die beiden Schüsse, welche jetzt fielen.
„Das ist wieder Winnetous Silberbüchse“, sagte der Scout, „ein sicheres Zeichen, daß die Comanchen angehalten werden.“
Wenn abgeschossene Pfeile und geworfene Lanzen einen Schall oder Knall verursachten, so wäre das Tal ganz gewiß jetzt von einem wilden Getöse erfüllt gewesen. So hörten wir nur die Stimmen der Comanchen und die fortgesetzten Schüsse Winnetous. Das dauerte wohl gegen zwei Minuten. Dann aber erklang ein mark- und beindurchdringendes „Iwiwiwiwiwiwi“ zu uns herüber.
„Das Apachen sein!“ jubelte Sam. „Haben gesiegt und Comanchen zurückgeschlagen.“
Jedenfalls hatte er recht; denn als dieses Siegesgeheul verklungen war, trat tiefe Stille ein, und zu gleicher Zeit sahen wir am Feuer die Gestalten von Reitern erscheinen, zu denen sich mehrere und immer mehrere gesellten. Es waren die Comanchen. Der Durchbruch war nicht gelungen. Für einige Zeit herrschte beim Feuer eine außerordentliche Verwirrung. Wir sahen, wie Menschen herbeigetragen wurden, welche tot oder verwundet waren, und das bereits erwähnte Klagegeheul hob jetzt von neuem an. Old Death rückte in größtem Ärger auf seinem Platze hin und her und schimpfte in allen Tonarten über die Unvernunft der Comanchen. Nur eins erwähnte er beifällig, nämlich, daß sie eine Schar von Posten in die Richtung der beiden Ausgänge fortschickten, denn das war eine ganz nötige Vorsichtsmaßregel. Als nach langer Zeit die Totenklagen verstummt waren, schienen die Comanchen sich zu einer Beratung niedergesetzt zu haben. Von da an verging wohl eine halbe Stunde; dann sahen wir mehrere der Krieger sich von dem Lager entfernen und in der Richtung nach der hinteren Seite des Tales zerstreuen, wo wir uns befanden.
„Jetzt werden wir gesucht“, sagte Old Death. „Sie haben wohl eingesehen, welche Dummheiten sie begangen haben, und werden nicht zu stolz sein, auf unsern Rat zu hören.“
Einer der ausgesandten Boten kam in unsere Nähe. Old Death hustete leise. Der Mann hörte es und kam herbei.
„Sind die Bleichgesichter hier?“ fragte er. „Sie sollen an das Feuer kommen.“
„Wer sendet dich?“
„Der Häuptling.“
„Was sollen wir dort?“
„Eine Beratung soll abgehalten werden, an welcher die Bleichgesichter diesesmal teilnehmen dürfen.“
„Dürfen? Wie gütig von euch! Sind wir es endlich einmal wert, von den klugen Kriegern der Comanchen angehört zu werden? Wir liegen hier, um zu ruhen. Wir wollen schlafen. Sag das dem Häuptling! Eure Feindschaft mit den Apachen ist uns von jetzt an sehr gleichgültig.“
Jetzt legte sich der Rote aufs Bitten. Das blieb nicht ohne Erfolg auf den gutherzigen Alten, denn er sagte:
„Nun wohl, wenn ihr ohne unsern Rat keinen Weg der Rettung findet, so sollt ihr ihn haben. Aber es beliebt uns nicht, uns von eurem Häuptling kommandieren zu lassen. Sage ihm, daß er her zu uns kommen soll, wenn er
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