02 - Winnetou II
Auslieferung unserer Habseligkeiten.“
„Und ihr gabt sie hin?“
„Ich nicht. Harton war klüger als ich, denn er legte alles ab, was er besaß; ich aber griff zur Büchse, nicht um zu schießen, denn das wäre bei ihrer Übermacht die reine Tollheit gewesen, sondern nur, um sie einzuschüchtern. Ich wurde augenblicklich überwältigt, niedergerissen und bis auf die Haut ausgeraubt. Die Weißen kamen uns nicht zu Hilfe! Aber sie stellten Fragen an uns. Ich wollte nicht antworten und wurde deshalb mit den Lassos gepeitscht. Harton war abermals klüger als ich. Er konnte nicht wissen, was sie beabsichtigten oder beschließen würden. Er sagte ihnen alles, auch das von der neuen Bonanza Señor Uhlmanns. Da horchten sie auf. Er mußte sie ihnen beschreiben. Ich fiel ihm in die Rede, damit er es verschweigen solle. Er merkte nun doch, daß ihnen nicht zu trauen sei, und gab weiter keine Auskunft. Dafür wurde ich gefesselt und hier eingegraben. Harton aber erhielt so lange Hiebe, bis er alles sagte. Und da sie glaubten, daß er sie doch vielleicht falsch berichtet habe, so nahmen sie ihn mit und drohten ihm mit dem qualvollsten Tod, wenn er sie nicht bis morgen abend zur Bonanza geführt habe.“
Das Gesicht, welches Old Death jetzt machte, hatte ich bei ihm noch nicht gesehen, obgleich er von mir in allen möglichen Seelenstimmungen beobachtet worden war. Es lag ein Zug finsterster, wildester, unerbitterlicher Entschlossenheit auf demselben. Er hatte das Aussehen eines Mörders, welcher sich vornimmt, um keinen Preis Nachsicht mit seinem Opfer zu haben. Seine Stimme klang fast heiser, als er fragte:
„Und glaubt Ihr, daß sie von hier aus nach der Bonanza sind?“
„Ja. Sie wollen die Bonanza überfallen und ausrauben. Es sind dort große Vorräte an Munition, Proviant und sonstigen Gegenständen, welche für einen Spitzbuben großen Wert haben. Auch Silber gibt es da in Menge.“
„Alle Teufel! Sie werden teilen wollen. Die Weißen nehmen das Metall und die Roten das andere. Wie weit ist es bis dahin?“
„Ein tüchtiger Tagesritt, so daß sie morgen abend dort ankommen können, wenn Harton nicht den Rat befolgt, welchen ich ihm gab.“
„Welchen?“
„Er solle sie einen Umweg führen. Ich dachte, daß doch vielleicht jemand des Weges kommen könne, um mich zu erlösen. In diesem Fall wollte ich ihn bitten, schleunigst nach der Bonanza zu reiten, um die Leute dort zu warnen. Ich selbst hätte freilich nicht mitreiten können, denn ich hatte kein Pferd.“
Der Alte blickte eine kurze Weile sinnend vor sich nieder. Dann sagte er:
„Ich möchte am allerliebsten augenblicklich fort. Wenn man jetzt aufbricht, kann man der Fährte dieser Schufte folgen, aber auch nur, bis es dunkel ist. Könnt Ihr mir dann nicht den Weg so genau beschreiben, daß ich ihn des Nachts finde?“
Der Mann verneinte und warnte entschieden vor einem nächtlichen Ritt. Old Death beschloß also, bis zum nächsten Morgen zu warten.
„Wir sechzehn“, fuhr er fort, „haben es mit vierzig Roten und zehn Weißen zu tun, macht zusammen fünfzig; da meine ich nicht, daß wir uns fürchten müssen. Wie waren denn die Tschimarra bewaffnet?“
„Nur mit Lanzen, Pfeil und Bogen. Nun aber haben sie uns unsere beiden Gewehre und Revolver abgenommen“, antwortete der Gambusino.
„Das tut nichts, da sie nicht verstehen, mit solchen Waffen umzugehen. Übrigens werden wir uns alle Umstände zunutze machen. Dazu ist es nötig, zu erfahren, wo und wie die Bonanza liegt. Ihr sagtet, sie sei nur durch einen Zufall zu finden. Das begreife ich nicht. Bei einer Bonanza gibt es wahrscheinlich Wasser. Dieses fließt in einer Schlucht, einem Canon, und das ist doch in dieser offenen, baumlosen Gegend zu finden. Beschreibt mir den Ort einmal!“
„Denkt Euch eine tief in den Wald eingeschnittene Schlucht, welche sich in ihrer Mitte erweitert und rund von steilen Kalkfelsen eingeschlossen ist! Diese Kalkfelsen sind ungeheuer reich an Silber-, Kupfer- und Bleilagern. Der Hochwald tritt von allen Seiten bis an die Kante dieser Schlucht heran und sendet sogar Bäume und Sträucher an den Wänden derselben herab. Im Hintergrund entspringt ein Wasser, welches gleich stark und voll wie ein Bach aus der Erde tritt. Die Schlucht oder vielmehr dieses Tal ist fast zwei englische Meilen lang. Aber trotz dieser bedeutenden Länge gibt es nirgends eine Stelle, an welcher man von oben herniedersteigen könnte. Der einzige Ein- und Ausgang ist da, wo das Wasser
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