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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zoll über dem Wasser, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, einen einzigen Schluck zu trinken. Außerdem hatte man ihm das Gesicht mit frischem, blutigem Fleisch eingerieben, um Insekten anzulocken, die ihn peinigen sollten. Er hatte sich nicht aus seiner Situation befreien können, weil ihm die Hände auf den Rücken und die Füße zusammengebunden worden waren. Das Loch, welches man für ihn gegraben hatte, war über zwei Ellen tief. Als wir ihn endlich aus demselben hoben und von den Fesseln befreiten, sank er in Ohnmacht. Kein Wunder, denn man hatte ihn von allen Kleidungsstücken entblößt und seinen Rücken blutrünstig geschlagen.
    Der arme Mensch kam bald wieder zu sich. Er wurde nach der Stelle getragen, an welcher wir auf den Bach getroffen waren, weil dort gelagert werden sollte: Der Mann bekam zunächst zu essen. Dann holte ich mein Reservehemd aus der Satteltasche, damit er verbunden werden konnte. Nun erst war er imstande, uns die erwünschte Auskunft zu geben.
    „Ich bin als Gambusino zuletzt in einer Bonanza (Fundort von Gold oder Silber) tätig gewesen“, sagte er, „welche eine Tagreise von hier zwischen den Bergen liegt. Ich hatte da einen Kameraden, einen Yankee, namens Harton, welcher –  –  –“
    „Harton?“ unterbrach ihn Old Death schnell. „Wie ist sein Vorname?“
    „Fred.“
    „Wißt Ihr, wo er geboren wurde und wie alt er ist?“
    „Zu New York ist er geboren und vielleicht sechzig Jahre alt.“
    „Wurde davon gesprochen, daß er Familie hat?“
    „Seine Frau ist gestorben. Er hat einen Sohn, welcher in Frisco irgendein Handwerk treibt, welches, das weiß ich nicht. Ist Euch der Mann bekannt?“
    Old Death hatte seine Fragen in ungemein heftiger Weise ausgesprochen. Seine Augen leuchteten, und seine tief eingesunkenen Wangen glühten. Jetzt gab er sich Mühe, ruhig zu erscheinen, und antwortete in gemäßigtem Ton:
    „Hab' ihn früher einmal gesehen. Soll sich in sehr guten Verhältnissen befunden haben. Hat er Euch nichts davon erzählt?“
    „Ja. Er war der Sohn anständiger Eltern und wurde Kaufmann. Er brachte es nach und nach zu einem guten Geschäft, aber er hatte einen mißratenen Bruder, der sich wie ein Blutegel an ihn hing und ihn aussaugte.“
    „Habt Ihr erfahren, wie dieser Bruder hieß?“
    „Ja. Sein Vorname war Henry.“
    „Stimmt. Hoffentlich gelingt es mir, Euern Harton einmal zu sehen!“
    „Schwerlich. Er wird am längsten gelebt haben, denn die Halunken, welche mich eingruben, haben ihn mit sich genommen.“
    Old Death machte eine Bewegung, als ob er aufspringen wolle, doch gelang es ihm, sich zu beherrschen und in ruhigem Ton zu fragen:
    „Wie ist denn das gekommen?“
    „So, wie ich es erzählen wollte, bevor ich von Euch unterbrochen wurde. Harton war also Kaufmann, wurde aber von seinem Bruder um sein ganzes Vermögen betrogen. Mir scheint, er liebt noch heute jenen gewissenlosen Buben, der ihn um alles brachte. Nachdem er verarmt war, trieb er sich lange Zeit als Digger in den Placers herum, hatte aber niemals Glück. Dann wurde er Baquero, kurz, alles mögliche, aber immer ohne Erfolg, bis er zuletzt unter die Gambusinos ging. Aber zum Abenteurer hat er das Zeug nicht. Als Gambusino ist es ihm noch viel schlechter ergangen als vorher.“
    „So hätte er keiner werden sollen!“
    „Ihr habt gut reden, Señor. Millionen Menschen werden das nicht, wozu sie Geschick hätten, sondern das, wozu sie am allerwenigsten taugen. Vielleicht hatte er einen heimlichen Grund, unter die Gambusinos zu gehen. Sein Bruder ist nämlich einer gewesen, und zwar ein sehr glücklicher. Vielleicht hoffte er, ihn in dieser Weise einmal zu treffen.“
    „Das ist Widerspruch. Dieser liederliche Bruder soll ein glücklicher Gambusino gewesen sein und doch seinen Bruder um das ganze Vermögen betrogen haben? Ein glücklicher Gambusino hat doch das Geld in Hülle und Fülle.“
    „Ja, aber wenn er es schneller verpraßt, als er es findet oder verdient, so ist es eben alle. Er war im höchsten Grade ein Verschwender! Zuletzt kam Harton nach Chihuahua, wo er sich von meinem Prinzipal engagieren ließ. Hier lernte ich ihn kennen und lieb gewinnen. Das ist eine große Seltenheit, denn es läßt sich leicht denken, daß die Gambusinos im höchsten Grade eifersüchtig gegen und neidisch aufeinander sind. Von da an sind wir miteinander auf Entdeckungen ausgegangen.“
    „Wie heißt denn Euer Herr?“
    „Davis.“
    „Wetter! – Hört mal, Señor, sprecht Ihr

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