Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
aus dem Tal tritt. Und dort schieben sich die Felsen so eng zusammen, daß neben dem Wasser nur Raum für drei Männer oder zwei Reiter bleibt.“
    „So ist der Ort doch ungemein leicht gegen einen Überfall zu verteidigen!“
    „Gewiß. Einen zweiten Eingang gibt es nicht, wenigstens nicht für Leute, welche nicht zu den jetzigen Bewohnern des Tales gehören. In der Mitte des Tales wird gearbeitet. Da war es beschwerlich, in gebotenen Fällen stets eine halbe Stunde weit zu gehen, um aus dem Tal zu kommen. Darum hat Señor Uhlmann einen Ausstieg errichten lassen, welcher an einer geeigneten Stelle angebracht wurde. Dort steigt der Fels nicht senkrecht, sondern stufenweise empor. Der Señor ließ Bäume fällen und auf die verschiedenen Absätze so herabstürzen, daß sie gegen die Felsen gelehnt liegenblieben. Dadurch wurde eine von oben bis ganz herabgehende Masse von Stämmen, Ästen und Zweigen gebildet, unter deren Schirm man Stufen einhaute. Kein Fremder kann dieselben sehen.“
    „Oho! Ich mache mich anheischig, diese famose Treppe sofort zu entdecken. Ihr selbst habt Euch verraten durch das Fällen der Bäume. Wo Bäume künstlich entfernt worden sind, da müssen sich Menschen befinden oder befunden haben.“
    „Wenn Ihr an die betreffende Stelle kommt, so ahnt Ihr gar nicht, daß die Bäume da künstlich mit Hilfe von Seilen, Lassos und unter großer Anstrengung, ja sogar Lebensgefahr hinabgelassen worden sind. Versteht mich wohl! Sie sind nicht im gewöhnlichen Sinne gefällt worden. Kein Stumpf ist zu sehen. Señor Uhlmann hat sie entwurzeln lassen, so daß sie sich langsam nach der Schlucht neigten und ihren ganzen Wurzelballen aus der Erde hoben. Über dreißig Mann haben dann an den Seilen gehalten, damit der Baum nicht zur Tiefe schmetterte, sondern langsam niederglitt und auf dem Felsenabsatz festen Halt bekam.“
    „So viele Arbeiter hat er?“
    „Jetzt fast vierzig.“
    „Nun, so brauchen wir wegen des Überfalles gar keine Sorge zu haben. Wie hat er denn die Verbindung mit der Außenwelt organisiert?“
    „Durch Maultierzüge, welche alle zwei Wochen ankommen, um das Tal mit allem Notwendigen zu versorgen und die Erze fortzuschaffen.“
    „Läßt der Señor den Eingang bewachen?“
    „Des Nachts, wenn alles schläft. Übrigens streift ein Jäger, den er zu diesem Zweck engagiert hat, während des ganzen Tages in der Gegend umher, um die Gesellschaft mit Wildbret zu versorgen. Diesem kann nichts entgehen.“
    „Hat Uhlmann Gebäude anlegen lassen?“
    „Gebäude nicht. Er wohnt in einem großen Zelt, in welchem sich alle nach der Arbeit versammeln. Ein Nebenzelt bildet den Vorratsraum. Beide stoßen an die Wand des Tales. Und im Halbkreis um dieselben sind einstweilen aus Ästen und dergleichen Hütten errichtet, in denen die Arbeiter kampieren.“
    „Aber ein Fremder oben auf der Talkante kann die hellen Zelte sehen!“
    „Nein, denn sie sind von dichten Baumkronen überdacht und nicht mit weißem Zeltleinen, sondern mit dunklem Gummistoff überzogen.“
    „Das will ich eher gelten lassen. Wie steht es mit der Bewaffnung?“
    „Vorzüglich. Jeder der Arbeiter hat sein Doppelgewehr nebst Messer und Revolver.“
    „Nun, so mögen die lieben Tschimarra immerhin kommen. Freilich ist dazu erforderlich, daß wir eher eintreffen als sie. Wir müssen unsere Pferde morgen anstrengen. Nun aber wollen wir versuchen, den Schlaf zu finden. In Anbetracht dessen, was uns morgen erwartet, müssen wir gut ausgeruht sein und unsere Pferde auch.“
    Mir wollte die erwartete Ruhe nicht kommen, obgleich ich während der vorigen Nacht keinen Augenblick hatte schlafen können. Der Gedanke, morgen Gibson zu erwischen, regte mich auf. Und Old Death schlief auch nicht. Er wendete sich wiederholt von einer Seite auf die andere. Das war ich an ihm gar nicht gewöhnt. Ich hörte ihn seufzen, und zuweilen murmelte er leise Worte vor sich hin, welche ich nicht verstehen konnte, obgleich ich neben ihm lag. Es gab irgend etwas, was ihm das Herz schwer machte. Sein Benehmen, als auf den Gambusino Harton die Rede gekommen war, war mir aufgefallen, doch war dasselbe dadurch erklärt, daß er diesen Mann kannte. Sollte er zu ihm in noch anderer Beziehung als nur derjenigen eines bloßen Bekannten stehen?
    Als wir ungefähr drei Stunden gelegen hatten, bemerkte ich, daß er sich aufrichtete. Er lauschte auf unsern Atem, um sich zu überzeugen, daß wir schliefen. Dann stand er auf und entfernte sich längs des Baches.

Weitere Kostenlose Bücher