02 - Winnetou II
Hoffnung auf Erfolg.
Dieser letztere stand neben dem Zelt und schickte eine Kugel nach der anderen dahin, wo er ein Ziel sah. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß es ratsam sei, einen Trupp seiner Leute mit Harton als Führer mittels des geheimen Aufstieges zu den Pferden der Feinde zu senden, um sich derselben zu bemächtigen. Dort konnte man auch diejenigen empfangen, denen es gelingen sollte, durch den Ausgang aus dem Tal zu entkommen. Er pflichtete diesem Rat bei und befolgte denselben auf der Stelle.
Kaum drei Minuten waren seit dem ersten Schuß vergangen und schon war der Platz gesäubert.
Gern gehe ich über das nun folgende hinweg. Bilder, bei deren Anblick sich das Menschenherz empört, soll man weder mit dem Pinsel, noch mit der Feder malen. Das wahre Christentum untersagt es selbst dem Sieger, sich an seinem Triumph zu ergötzen.
Dem abgesandten Trupp war es leicht gelungen, sich der Pferde zu bemächtigen. Diese Leute blieben während der Nacht bei denselben. Nur Harton kehrte zurück. Er hatte keine Ahnung, wer unsererseits der einzige Tote des heutigen Abends war, der noch dazu infolge eines Mißverständnisses von der Kugel eines Freundes getötet worden war. Ich ging mit ihm hinaus in das Tal, wo einige indessen angezündete Feuer brannten, schritt mit ihm nach einer dunklen Stelle, wo wir uns niedersetzten, und teilte ihm mit, was er erfahren mußte.
Er weinte wie ein Kind, laut und herzbrechend. Er hatte seinen Bruder stets geliebt, hatte ihm alles längst vergeben und war nur in der Hoffnung Gambusino geworden, ihn in der Ausübung dieses Berufes da oder dort einmal zu treffen. Ich mußte ihm alles erzählen, von meinem ersten Zusammentreffen mit dem Scout bis zu dem letzten Augenblick, an welchem den Reuigen die irrende Kugel traf. Jedes Wort wollte er wissen, was zwischen ihm und mir gewechselt worden war, und als wir dann nach mehr als einer Stunde zum Zelt gingen, um den Toten zu sehen, bat er mich, ihn so in sein Herz zu schließen, wie ich es mit seinem armen Bruder getan hatte.
Am Morgen wurde Old Deaths Sattel herbeigeholt. Unter vier Augen schnitten wir das Futter los. Wir fanden eine Brieftasche. Sie war dünn, aber trotzdem sehr reichen Inhaltes. Der Tote hinterließ seinem Bruder Bankanweisungen zu sehr bedeutender Höhe und, was die Hauptsache war, die genaue Beschreibung und den minutiös gezeichneten Situationsplan einer Stelle in der Sonora, an welcher Old Death eine vielverheißende Bonanza entdeckt hatte. Von diesem Augenblick an war Fred Harton ein steinreicher Mann.
Welche Pläne Gibson eigentlich mit William Ohlert verfolgt hatte, das war nun nicht zu erfahren. Selbst seine Schwester Felisa Perilla, zu welcher sein Weg doch wahrscheinlich hatte führen sollen, wäre nicht imstande gewesen, einen Aufschluß zu erteilen. Ich fand bei ihm all die in Banknoten erhobenen Summen, natürlich abzüglich dessen, was er für die Reise ausgegeben hatte.
Ohlert lebte zwar, aber er wollte nicht aus seiner Betäubung erwachen. Es stand zu erwarten, daß ich aus diesem Grund hier einen längeren Aufenthalt zu nehmen gezwungen sein werde. Das war mir eigentlich gar nicht unlieb. Ich konnte mich von den Strapazen erholen und das Leben und Treiben einer Bonanza gründlich kennenlernen, bis der Zustand Ohlerts es erlaubte, ihn nach Chihuahua in die Pflege eines tüchtigen Arztes zu geben.
Old Death wurde begraben. Wir errichteten ihm ein Grabmal mit einem Kreuz aus silberhaltigem Erz. Sein Bruder trat aus dem Dienst Uhlmanns, um sich zunächst nach den Anstrengungen seines Gambusinolebens in Chihuahua einige Zeit zu pflegen.
Groß war das Glück, welches Uhlmann und dessen Frau über die Ankunft ihrer beiden Verwandten empfanden. Sie waren liebe, gastfreundliche Leute, denen dieses Glück zu gönnen war. Als Fred Harton sich von ihnen und mir verabschiedete, bat er mich, ihn zur Aufsuchung der Bonanza in die Sonora zu begleiten. Ich konnte keine entscheidende Antwort geben und vertröstete ihn auf meine Ankunft in Chihuahua. Winnetou beschloß, bei mir zu bleiben, und schickte seine zehn Apachen heim. Sie wurden von Uhlmann reich beschenkt. Der Neger Sam reiste mit Harton ab. Er hat seinen Auftrag jedenfalls glücklich ausgeführt. Ob er zu Señor Cortesio zurückgekehrt ist, weiß ich nicht. –
Und zwei Monate später saß ich bei dem guten Religioso (Ordensbruder) Benito von der Kongregation El bueno pastor in Chihuahua. Ihm, dem berühmten Arzt der nördlichen Provinzen, hatte
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