02 - Winnetou II
erwarte, und von dem Apachen die Aufforderung erhalten, mich nach dem Rio Suanca zu schicken, wo er mit einer Schar seiner Krieger jagen werde.
Ich machte mich unverzüglich auf den Weg nach diesem Fluß, brauchte drei volle Wochen, ehe ich ihn erreichte, und fand nach kurzem Suchen das Jagdlager der Apachen. Winnetou war ebenso entzückt über den Henrystutzen wie ich, begehrte aber nicht, einen einzigen Schuß aus demselben zu tun; er betrachtete das Gewehr als ein Heiligtum für mich. Eine große freudige Überraschung war es für mich, als er mir ein Pferd schenkte, einen Rappen, den er für mich mitgebracht hatte. Der Hengst führte nach der Haupteigenschaft, welche er besaß, nämlich der Schnelligkeit, den Namen Swallow (Schwalbe); er besaß die feinste indianische Dressur und gewöhnte sich sehr rasch an mich.
Winnetou wollte nach der Jagd zu den Navajos hinüber, um zwischen ihnen und den Nijoras, welche sich im Streit befanden, Frieden zu stiften, und es war meine Absicht, ihn zu begleiten. Dies kam aber nicht zur Ausführung, denn einige Tage vor dem beabsichtigten Aufbruch begegneten wir einem kalifornischen Goldtransport, dessen Teilnehmer nicht wenig erschraken, als sie sich so plötzlich von Roten umgeben sahen, sich aber schnell beruhigten, als sie Winnetous und Old Shatterhands Namen hörten. Welch einen guten Klang diese beiden Namen hatten, ersah ich daraus, daß die Leute mich baten, sie, natürlich gegen eine angemessene Gratifikation, bis nach Fort Scott zu bringen. Ich wollte, um mich nicht von Winnetou trennen zu müssen, nicht darauf eingehen; aber er war, als mein einstiger Lehrmeister, stolz auf die Auszeichnung und das Vertrauen, welches mir da entgegengebracht wurde, und forderte mich auf, den Leuten diesen Dienst zu erweisen und dann von Fort Scott nordwärts nach der westlich vom Missouri gelegenen Gravel-Prärie zu reiten, wo er mit mir zusammentreffen werde, denn er wolle einmal seinen alten, berühmten Freund Old Firehand besuchen, welcher sich jetzt in der dortigen Gegend aufhalte.
Da die Trennung also sein eigener Wille war, ritt ich mit diesen Leuten fort und brachte sie glücklich nach ihrem Bestimmungsort, allerdings nicht ohne öftere Gefahren, welche wir zu überwinden hatten. Ich nahm diese ganz allein auf mich und hatte es einige Male nur dem Henrystutzen und meinem Pferd zu verdanken, daß ich dieses Verfahren nicht mit dem Leben büßte.
Dann ritt ich allein weiter, erst über den Kansas und dann über den Nebraska, durch das Gebiet der Sioux, vor deren Verfolgung mich wiederholt die Schnelligkeit Swallows rettete. Winnetou hatte mir gesagt, daß mein Weg mich in dieser Gegend nach einer neu entdeckten und in Angriff genommenen Ölregion führen werde, deren Besitzer Forster heiße; dort gebe es auch einen Store, in welchem ich mir alles kaufen könne, was ich etwa brauche.
Meiner Berechnung nach mußte ich mich nun in der Nähe der Ölniederlassung befinden. Ich wußte, daß sie New-Venango hieß und in einer jener Schluchten lag, die, Bluffs genannt, steil in die Fläche der Prärie einschneiden und gewöhnlich von einem Flüßchen durchzogen sind, das entweder spurlos unter Felsen verschwindet, vielleicht auch im durchlassenden Boden langsam versiegt, oder auch, wenn seine Wassermasse bedeutender ist, dieselbe einem der größeren Ströme zuführt. Bisher aber hatte sich auf der mit gelbblühenden Helianthus übersäten Ebene kein Zeichen wahrnehmen lassen, welches auf die Nähe einer solchen Senkung schließen ließ. Das Pferd bedurfte der Ruhe; ich selbst war müde und von der langen Irrfahrt so angegriffen, daß ich mich mehr und mehr nach dem Ziel meiner heutigen Wanderung sehnte, wo ich einen Tag lang gehörig Rast machen und dabei die ziemlich auf die Neige gegangene Munition wieder ergänzen wollte.
Schon gab ich es auf, dieses Ziel noch zu erreichen, da hob Swallow das Köpfchen und stieß den Atem mit jenem eigentümlichen Laut aus, durch welchen das echte Präriepferd das Nahen eines lebenden Wesens signalisiert. Mit einem leisen Ruck war es zum Stehen gebracht, und ich wandte mich auf seinem Rücken, um den Horizont abzusehen.
Ich brauchte nicht lange zu forschen. Seitwärts von meinem Standpunkt bemerkte ich zwei Reiter, welche mich erblickt haben mußten, denn sie ließen ihre Pferde weit ausgreifen und hielten gerade auf mich zu. Da die Entfernung zwischen ihnen und mir noch zu groß war, die Einzelheiten genau unterscheiden zu können, so griff ich
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