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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dann über Dakota und die Hundeprärie die Seen zu gewinnen suchen. Während dieses Beisammenseins bot sich hoffentlich Gelegenheit, einen Einblick in die Vergangenheit Old Firehands zu tun, und so verharrte ich jetzt schweigend in meiner Stellung, die ich nur zuweilen veränderte, um das Feuer zu schüren und ihm neue Nahrung zu geben.
    Bei einer dieser Bewegungen funkelte der an meinem Finger steckende Ring im Strahl der Flamme. Old Firehands scharfes Auge hatte trotz der Schnelligkeit dieses Leuchtens den kleinen, goldenen Gegenstand genau erfaßt, und er fuhr mit betretener Miene aus seiner bequemen Lage empor.
    „Was ist das für ein Ring, den Ihr hier tragt, Sir?“ fragte er.
    „Er ist das Andenken an eine der schrecklichsten Stunden meines Lebens.“
    „Wollt Ihr ihn mir einmal zur Betrachtung geben?“
    Ich erfüllte seinen Wunsch. Mit sichtbarer Hast griff er zu, und kaum hatte er einen näheren Blick auf den Ring geworfen, so erklang die Frage:
    „Von wem habt Ihr ihn?“
    Es war eine unbeschreibliche Aufregung, die sich seiner bemächtigt hatte, und auf meine Antwort:
    „Ich erhielt ihn von einem Knaben in New-Venango“, stieß er hervor:
    „In New-Venango? Waret Ihr bei Forster? Habt Ihr Harry gesehen? Ihr spracht von einer schrecklichen Stunde, von einem Unglück.“
    „Ein Abenteuer, bei welchem ich mit meinem braven Swallow in Gefahr kam, bei lebendigem Leib gebraten zu werden“, erwiderte ich, die Hand nach dem Ring ausstreckend.
    „Laßt das!“ wehrte er ab. „Ich muß wissen, wie dieser Reif in Euren Besitz gekommen ist. Ich habe ein heiliges Anrecht auf ihn, heiliger und größer als irgendein anderes Menschenkind!“
    „Laßt Euch ruhig nieder, Sir. Verweigerte mir ein anderer die Zurückgabe, so würde ich ihn dazu zwingen zu wissen; Euch aber will ich das Nähere berichten, und Ihr werdet dann mir wohl auch Euer Anrecht beweisen können.“
    „Sprecht; aber wißt auch Ihr, daß dieser Ring in der Hand eines Mannes, dem ich weniger vertraute als Euch, sehr leicht sein Todesurteil werden könnte. Also erzählt – erzählt!“
    Er kannte Harry, er kannte auch Forster, und die Erregung, in welcher er sich befand, zeugte von dem großen Interesse, welches er an diesen Personen nahm. Ich hatte hundert Fragen auf der Zunge, aber ich drängte sie zurück und begann meinen Bericht von der damaligen Begegnung.
    Auf den einen Ellbogen gestützt, lag er, das Feuer zwischen uns, mir gegenüber, und in jedem einzelnen seiner Züge sprach sich die Spannung aus, mit welcher er dem Lauf meiner Erzählung folgte. Von Wort zu Wort wuchs seine Aufmerksamkeit, und als ich zu dem Augenblick kam, an welchem ich Harry vor mir auf das Pferd gerissen hatte, sprang er auf und rief:
    „Mann, das war das einzige, ihn zu retten! Ich zittere für sein Leben; rasch, rasch, sprecht weiter!“
    Auch ich hatte mich in dem Wiederfühlen jener furchtbaren Aufregung erhoben und fuhr in meiner Schilderung fort. Er trat mir näher und immer näher; seine Lippen öffneten sich, als wolle er jedes einzelne meiner Worte trinken; sein Auge hing, weit aufgerissen, an meinem Mund, und sein Körper bog sich in eine Stellung, als säße er selbst auf dem dahinbrausenden Swallow, stürze sich selbst mit in die hochaufschäumenden Fluten des Flusses und strebe selbst in fürchterlicher Angst die steile, zackige Felswand empor. Längst schon hatte er meinen Arm erfaßt, den er unbewußt drückte, daß ich hätte die Zähne zusammenpressen mögen, und laut und ächzend drängte sich der Atem aus seiner von fürchterlicher Besorgnis zusammengepreßten Brust.
    „Heavens!“ rief er mit einem tiefen, tiefen Atemzug, als er hörte, daß ich glücklich über den Rand der Schlucht gekommen war und den Knaben also in Sicherheit gebracht hatte. „Das war entsetzlich fürchterlich! Ich habe eine Angst ausgestanden, als ob mein eigener Körper in den Flammen stecke, und doch wußte ich vorher, daß Euch die Rettung gelungen sei, denn sonst hätte er Euch ja den Ring nicht geben können.“
    „Er hat es auch nicht getan; ich streifte ihn wider Willen von seinem Finger, und er hat den Verlust gar nicht bemerkt.“
    „So mußtet Ihr das fremde Eigentum dem Besitzer unbedingt zurückstellen.“
    „Ich wollte es, doch floh er mich. Zwar folgte ich ihm, doch sah ich ihn erst am andern Morgen in Gesellschaft einer Familie wieder, welche dem Tod entgangen war, weil ihre Wohnung im obersten Winkel des Tales lag und der Brand seine Richtung

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