02 - Winnetou II
mich erblickten, sagten mir, daß ich der Gegenstand ihrer Unterhaltung gewesen sei.
Kurze Zeit später waren wir zum Aufbruch bereit und schlugen eine Richtung ein, welche uns in einer Entfernung von vielleicht zwanzig Meilen vom Missouri parallel mit diesem Fluß auf das Tal des Mankizila zuführte.
Der Tag war kühl. Wir waren gut beritten, und da wir unsere Tiere während der letzten Tour geschont und immer gut gepflegt hatten, so legten wir nach und nach ein tüchtiges Stück grünes Land hinter uns.
Eigentümlich war die Veränderung, welche ich heute in dem Verhalten meiner Gefährten zu mir bemerkte. Es lag eine deutlich erkennbare Rücksicht, ich möchte sagen Hochachtung, in ihrem ganzen Benehmen, und es war mir ganz so, als ob in dem Blick, den Old Firehand zuweilen über mich gleiten ließ, etwas einer zurückgehaltenen Zärtlichkeit Ähnliches liege.
Es war überhaupt augenfällig, welch beinahe liebevolle Aufmerksamkeit und Ergebenheit die zwei Leute gegeneinander zeigten. Zwei Brüder, die sich durch die Bande des Blutes mit jeder Faser des Innern aneinander gefesselt fühlten, hätten nicht besorgter füreinander sein können, und es dünkte mich, als begegne sich diese beiderseitige Fürsorge jetzt in meiner Person. Winnetou war mit Old Firehand fast noch freundlicher als mit mir, so daß ich hätte eifersüchtig werden mögen, wenn ich die Anlagen und den dazu nötigen Unverstand besessen hätte.
Als wir um die Mittagszeit Halt machten und Old Firehand sich entfernte, um die Umgebung des Lagerplatzes zu rekognoszieren, streckte sich, während ich den Proviant hervorholte, Winnetou an meiner Seite nieder und meinte:
„Mein Bruder ist kühn wie die große Katze des Waldes und stumm wie der Mund des Felsen.“
Ich schwieg zu dieser sonderbaren Einleitung.
„Er ist durch die Flammen des Öles geritten und hat nicht davon gesprochen zu Winnetou, seinem Freund.“
„Die Zunge des Mannes“, antwortete ich, „ist wie das Messer in der Scheide. Es ist scharf und spitz und taugt nicht zum Spiel.“
„Mein Bruder ist weise und hat recht; aber Winnetou ist betrübt, wenn das Herz seines jungen Freundes sich ihm verschließt wie der Stein, in dessen Schoß die Körner des Goldes verborgen liegen.“
„Ist das Herz Winnetous geöffnet gewesen dem Ohr seines Freundes?“
„Hat er ihm nicht gesagt alle Geheimnisse der Prärie? Hat er ihm nicht gezeigt und gelehrt die Spur zu sehen, den Lasso zu werfen, den Skalp zu lösen und alles zu tun, was ein großer Krieger können muß?“
„Winnetou hat es getan; aber hat er auch gesprochen von Old Firehand, der seine Seele besitzt und von dem Weib, dessen Andenken nicht gestorben ist in seinem Herzen?“
„Winnetou hat sie geliebt, und die Liebe wohnt nicht in seinem Mund. Aber warum hat mein Bruder nicht erzählt von dem Knaben, den Swallow durch das Feuer trug?“
„Weil dies wie ein Eigenlob geklungen hätte. Kennst du diesen Knaben?“
„Ich habe ihn getragen auf meinen Armen; ich habe ihm gezeigt die Blumen des Feldes, die Bäume des Waldes, die Fische des Wassers und die Sterne des Himmels; ich habe ihn gelehrt, den Pfeil vom Bogen zu schießen und das wilde Roß zu besteigen; ich habe ihm geschenkt die Sprachen der roten Männer und ihm zuletzt gegeben das Feuergewehr, dessen Kugel getötet hat Ribanna, die Tochter des Assineboins.“
Erstaunt blickte ich ihn an. Es dämmerte eine Ahnung in mir auf, der ich kaum Worte zu geben wagte, und doch hätte ich es vielleicht getan, wenn nicht gerade jetzt Old Firehand zurückgekehrt wäre und unsere Aufmerksamkeit auf das Mahl gerichtet hätte. Aber während desselben mußte ich immerfort an die Worte Winnetous denken, aus denen in Verbindung mit dem, was Harry mir gesagt hatte, fast hervorging, daß Old Firehand des letzteren Vater sei. Das Benehmen desselben bei meiner Erzählung am gestrigen Abend stimmte allerdings mit dieser Vermutung überein; aber er hatte von diesem Vater als von einem dritten gesprochen und nichts gesagt, was meine Vermutung zu einer festen Überzeugung machen konnte.
Nach einigen Stunden der Ruhe brachen wir wieder auf. Als ob unsere Tiere wüßten, daß ein Ort mehrtägiger Erholung vor ihnen liege, trabten sie munter dahin, und wir hatten eine ziemliche Strecke zurückgelegt, als mit der hereinbrechenden Dämmerung der Höhenzug, hinter welchem das Tal des Mankizila liegt, uns so nahe getreten war, daß das Terrain sich zu erheben begann und wir uns durch eine
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