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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schlucht bewegten, welche, wie es schien, uns senkrecht auf den Lauf des Flusses führen mußte.
    „Halt!“ tönte es da plötzlich aus den zur Seite stehenden Cottonsträuchern, und zu gleicher Zeit war zwischen den Zweigen der Lauf einer auf uns gerichteten Büchse sichtbar. „Wie heißt das Wort?“
    „Tapfer!“
    „Und?“
    „Verschwiegen“, gab Old Firehand die Parole, indem er mit scharfem Blick das Gesträuch zu durchdringen suchte. Bei dem letzten Wort teilte sich dasselbe und ließ einen Mann hindurch, bei dessen Anblick ich ein freudiges Erstaunen fühlte.
    Unter der wehmütig herabhängenden Krempe eines Filzhutes, dessen Alter, Farbe und Gestalt selbst dem schärfsten Denker einiges Kopfzerbrechen verursacht haben würde, blickte zwischen einem Wald von verworrenen, schwarzgrauen Barthaaren eine Nase hervor, welche fast von erschreckenden Dimensionen war und jeder beliebigen Sonnenuhr als Schattenwerfer hätte dienen können. Infolge des gewaltigen Bartwuchses waren außer diesem so verschwenderisch ausgestatteten Riechorgan von den übrigen Gesichtsteilen nur die zwei kleinen, klugen Augen zu bemerken, welche mit einer außerordentlichen Beweglichkeit begabt zu sein schienen und mit einem Ausdruck von schalkhafter List von einem zum anderen von uns dreien sprangen.
    Diese Oberpartie ruhte auf einem Körper, welcher uns bis auf das Knie herab vollständig unsichtbar blieb und in einem alten, bockledernen Jagdrock stak, welcher augenscheinlich für eine bedeutend stärkere Person angefertigt worden war und dem kleinen Mann vor uns das Aussehen eines Kindes gab, welches sich zum Vergnügen einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beine hervor, welche in ausgefransten Leggins steckten, die so hoch betagt waren, daß sie das Männchen schon vor einem Jahrzehnt ausgewachsen haben mußten, und die dabei einem umfassenden Blick auf ein Paar Indianerstiefel gestatteten, in welchen zur Not der Besitzer in voller Person hätte Platz finden können.
    In der Hand trug der Mann eine alte Flinte, die ich nur mit der äußersten Vorsicht angefaßt hätte, und als er sich so mit einer gewissen Würde auf uns zu bewegte, konnte man sich keine größere Karikatur eines Präriejägers denken als ihn.
    „Sam Hawkens!“ rief Old Firehand. „Sind deine Äuglein blöde geworden, daß du mir die Parole abverlangst?“
    „Meine es nicht, Sir! Halte aber dafür, daß ein Mann auf Posten auch zuweilen zeigen muß, daß er die Losung nicht vergessen hat. Willkommen in Bajou, Mesch'schurs! Wird Freude geben, große Freude. Bin ganz närrisch vor Entzücken, mein einstiges ‚Greenhorn‘ wiederzusehen, jetzt Old Shatterhand geheißen, und Winnetou, den großen Häuptling der Apachen dazu, wenn ich mich nicht irre.“
    Er reichte mir beide Hände, drückte mich mit Inbrunst an seinen Jagdrock, daß dieser wie eine leere Holzschachtel prasselte, und spitzte die bärtigen Lippen, um mich zu küssen, welcher Zärtlichkeit ich aber durch eine geistesgegenwärtige Wendung entging. Sein früher dunkler Haar- und Bartwald war jetzt ziemlich grau geworden.
    „Es freut mich herzlich und aufrichtig, Euch wiederzusehen, lieber Sam“, sagte ich ihm der Wahrheit gemäß. „Aber sagt, habt Ihr Old Firehand nicht erzählt, daß Ihr mich kennt und mein Lehrer gewesen seid?“
    „Natürlich habe ich das!“
    „Und Ihr habt mir nicht gesagt, daß ich meinen guten Sam Hawkens bei Euch treffen würde!“
    Dieser freundliche Vorwurf war an Old Firehand gerichtet; er antwortete mir lächelnd:
    „Ich wollte Euch überraschen. Ihr seht nun, daß ich Euch schon längst gekannt habe, denn wir haben oft von Euch gesprochen. Ihr werdet noch zwei andere gute Bekannte bei mir finden.“
    „Etwa Dick Stone und Will Parker, die von Sam unzertrennlich sind?“
    „Ja. Für die wird Euer Erscheinen auch eine große, frohe Überraschung bringen. Aber, Sam, welche von unsern Männern sind heut daheim?“
    „Alle, außer Bill Bulcher, Dick Stone und Harris, meine ich, die fort sind, um ‚Fleisch zu machen‘. Der kleine Sir ist auch wiedergekommen.“
    „Weiß es, weiß es, daß er da ist. Wie ist's sonst gegangen? Gab's Rothäute?“
    „Danke, danke Sir; könnte mich nicht besinnen, welche gesehen zu haben, obgleich“ – setzte er, auf sein Schießinstrument deutend, hinzu – „‚Liddy‘ Hochzeitsgedanken hat.“
    „Und die Fallen?“
    „Haben

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