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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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brauchten.

SECHSTES KAPITEL
    In der ‚Festung‘
    Eine Reihe von Tagen war vergangen und Old Firehand hatte mit uns den Ritt nach seiner ‚Burg‘ antreten können. Unser darauf glücklich zurückgelegter Weg hatte uns mitten durch das Gebiet feindlicher Stämme geführt, und jetzt nun, wo die dabei drohenden Gefahren hinter uns lagen, konnten wir uns einmal nach Herzenslust ausruhen und pflegen.
    Unsere Büchsen waren in den letzten Tagen, um durch den Knall derselben nicht die Rothäute auf uns aufmerksam zu machen, stumm geblieben; aber trotzdem hatten wir nicht Mangel gelitten, weil wir das Wild in Schlingen gefangen hatten. Ich saß mit Old Firehand am Lagerfeuer. Winnetou hatte die Wache und trat auf einem seiner Rundgänge zu uns heran. Old Firehand sagte zu ihm:
    „Will mein Bruder sich nicht ans Feuer setzen? Der Pfad des Rapaho führt nicht an diese Stelle. Wir sind also sicher.“
    „Das Auge des Apachen steht immer offen; er traut nicht der Nacht, denn sie ist ein Weib“, antwortete Winnetou.
    Er schritt wieder in das Dunkel zurück.
    „Er haßt die Frauen“, warf ich hin, um den Anfang zu geben zu einer jener traulichen Unterhaltungen, welche, geführt unter ruhig flimmernden Sternen, für lange Jahre in der Erinnerung bleiben.
    Old Firehand öffnete das an seinem Hals hängende Futteral und entnahm demselben die sorglich darin verwahrte Pfeife, welche er gemächlich stopfte und dann in Brand steckte.
    „Meint Ihr? Vielleicht auch nicht.“
    „Seine Worte schienen es zu sagen.“
    „Schienen“, nickte der Jäger; „aber es ist nicht so. Es gab einmal eine, um deren Besitz er mit Mensch und Teufel gekämpft hätte, und seit jener Zeit ist ihm das Wort ‚Squaw‘ entfallen.“
    „Warum führte er sie nicht in seine Hütte?“
    „Sie liebte einen andern.“
    „Danach pflegt ein Indianer nicht zu fragen.“
    „Aber dieser andere war sein Freund.“
    „Und der Name dieses Freundes?“
    „Ist jetzt Old Firehand.“
    Ich blickte überrascht empor. Hier stand ich vor einer jener Katastrophen, an denen der Westen so reich ist und die seinen Gestalten und Ereignisse jenen energischen Charakter geben, durch welchen sie sich kräftig auszeichnen. Natürlich hatte ich kein Recht, weiter zu fragen; aber das Verlangen nach weiterem mußte ich deutlich in meinen Mienen aussprechen; denn er fuhr nach einer Pause fort:
    „Laßt die Vergangenheit ruhen, Sir! Wollte ich von ihr sprechen, wahrhaftig, Ihr wäret trotz Eurer Jugend der einzige, zu dem ich es täte; denn ich habe Euch liebgewonnen in der kurzen Zeit, die wir beisammen sind.“
    „Danke, Sir! Kann Euch offen sagen, daß auch ich nicht ganz empfindungslos bin.“
    „Weiß es, weiß es; Ihr habt's ja reichlich bewiesen, und ohne Eure Hilfe wäre ich in jener Nacht verloren gewesen. Ich hatte einen teufelsmäßig harten Stand und blutete wie ein vielangeschossener Büffel, als Ihr endlich kamet. Es war nur ärgerlich, daß ich meine Rechnung mit Tim Finnetey nicht selbst ausgleichen konnte, und ich gäbe auf der Stelle diese meine Hand darum, wenn es mir vergönnt gewesen wäre, dem Halunken mein eigenes Eisen schmecken zu lassen.“
    Bei diesen Worten zuckte eine ingrimmige Erbitterung über das sonst so ruhige und offene Gesicht des Sprechenden, und wie er mit blitzenden Augen und festgeballten Fäusten mir so gegenüberlag, konnte ich nicht anders denken, als daß die erwähnte Rechnung mit diesem Parranoh oder Finnetey eine ganz außerordentliche gewesen sein müsse.
    Ich gestehe gern, daß meine Wißbegierde immer größer wurde, und bei jedem anderen an meiner Stelle wäre es ebenso gewesen; trat mir doch hier der mir bisher unbekannte Umstand entgegen, daß mein Winnetou einst einem Mädchen sein Herz geöffnet hatte. Das war selbst mir, seinem besten Freund und Blutsbruder, ein Geheimnis geblieben; aber ich mußte mich gedulden, was mir auch gar nicht schwer fiel, da ich von der Zukunft ganz sicher Aufklärung erwarten konnte.
    Die Genesung Old Firehands war schneller vorgeschritten, als wir erwartet hatten, und so waren wir nach verhältnismäßig kurzer Zeit aufgebrochen, um durch das Land der Rapahos und Pawnees bis an den Mankizila vorzudringen, an dessen Ufer Old Firehand seine ‚Festung‘ hatte, wie er sich ausdrückte, die wir vielleicht in kurzer Zeit erreichen konnten, da wir schon vorgestern den Kehupahan überschwommen hatten.
    Dort wollte ich für einige Zeit den Pelzjägern, welche er befehligte, mich anschließen, und

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