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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nur in dieser vollständigen Abgeschlossenheit erlaubt sein konnte, sah ich dann Winnetou beschäftigt, sein Pferd, von welchem er gestiegen war, abzusatteln. Als dies geschehen war, gab er dem Tier mit einem leichten Schlag die Weisung, sich um das Abendbrot zu kümmern, nahm Sattel, Zaum und Decke auf die Schulter und schritt davon, ohne die Umstehenden eines Blickes zu würdigen.
    Ich folgte, da unser Anführer zu sehr in Anspruch genommen war, um sich jetzt viel mit uns beschäftigen zu können, seinem Beispiel, machte den braven Swallow vollständig frei und unternahm, die neugierigen Frager kurz abfertigend, eine Rekognoszierung des Platzes.
    Wie eine riesenhafte Seifenblase waren die Gesteinsmassen bei der Bildung des Gebirges von den plutonischen Gewalten emporgetrieben worden und hatten bei ihrem Zerplatzen eine hohle, nach oben offene und von außen unzugängliche Halbkugel gebildet, welche dem eingesunkenen Krater eines ungeheuren Vulkans glich. Luft und Licht, Wind und Wetter waren dann beschäftigt gewesen, den harten Boden zu zersetzen und der Vegetation zugänglich zu machen, und die angesammelten Wassermengen hatten sich nach und nach durch eine Seite der Felswand gebohrt und den Bach gebildet, der heute unser Führer gewesen war.
    Ich wählte zu meinem Gang den äußersten Saum des Tales und schritt zwischen dem Gebüsch und der meist senkrecht aufsteigenden, oft sogar überhängenden Felswand entlang. In derselben bemerkte ich zahlreiche mit Tierfellen verschlossene Öffnungen, welche jedenfalls zu Wohnungen oder Lagerräumen führten, deren die Jägerkolonie ja notwendig bedurfte.
    Jedenfalls bestand dieselbe aus mehr Personen, als sich uns bei dem Empfang gezeigt hatten; wenigstens konnte ich das aus der Anzahl der Squaws schließen, welche ich während meines Ganges erblickte; aber die meisten waren jedenfalls auf Jagdzügen abwesend und kehrten erst bei Beginn des Winters, dessen Nahen allerdings in nicht mehr langer Zeit zu erwarten war, zurück.
    Während ich so dahinschlenderte, bemerkte ich auf einer der, wie es schien, unbesteigbaren Klippen eine kleine, aus knorrigen Ästen aufgeführte Hütte. Von ihr aus mußte das ganze Tal mit allen seinen Einzelheiten vollständig zu überschauen sein, und ich beschloß, hinaufzusteigen. Bald fand ich, wenn auch keinen Pfad, so doch die Spuren von Fußtritten, die sich da hinaufgearbeitet hatten, und folgte ihnen empor.
    Nur noch eine kurze Strecke hatte ich zurückzulegen, da sah ich aus der schmalen und niederen Tür eine Gestalt schlüpfen, welche wohl kaum durch mein Kommen gestört worden sein konnte; denn sie bemerkte mich gar nicht und trat, den Rücken mir zugewendet, an den Rand des Felsens und warf, das Auge mit der erhobenen Hand beschattet, einen Blick hinunter in die Tiefe.
    Sie trug ein buntes, starkstoffiges Jagdhemd, an der äußeren Naht von der Hüfte bis zum Knöchel mit Fransen verzierte Leggins; die kleinen Mokassins waren reich mit Glasperlen und Stachelschweinsborsten besetzt. Um den Kopf war turbanartig ein rotes Tuch geschlungen, und eine ebenso gefärbte Schärpe vertrat die Stelle des gewöhnlichen Gürtels.
    Als ich den Fuß auf die kleine Plattform setzte, vernahm die Person das Geräusch meiner Schritte und wandte sich schnell um. War es Wahrheit oder Täuschung? Ich rief freudig überrascht aus:
    „Harry! Ist's möglich?“ und trat mit raschen Schritten auf ihn zu.
    Aber ernst und kalt blickte sein Auge, und kein Zug seines jetzt tiefer gebräunten Angesichts verriet auch nur die leiseste, freundliche Regung über mein Kommen.
    „Wenn es nicht möglich wäre, würdet Ihr mich nicht hier treffen, Sir“, antwortete er. „Aber die Berechtigung zur Frage liegt wohl mehr auf meiner als auf Eurer Seite. Welche Ursache gab Euch die Erlaubnis, Euren Weg in unser Lager zu nehmen?“
    War das ein Empfang, wie ich ihn verdient hatte? Kälter und gemessener noch als er erwiderte ich nur das eine Wort:
    „Pshaw!“ und glitt, ihm den Rücken wendend, vorsichtigen Fußes wieder hinab.
    Es war also doch so, wie ich vermutet hatte, daß er der Sohn Old Firehands sei, und nun war mir auch das andere so ziemlich klar.
    Obgleich ich nur einen Knaben vor mir hatte, wollte mir das Verhalten desselben nach all dem Geschehenen doch einen kleinen Ärger verursachen. Die Behauptung Old Firehands, daß Harry mich für feig gehalten habe, stimmte allerdings mit der damaligen Äußerung des letzteren vollständig überein, aber es war mir

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