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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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absolut unmöglich, zu sagen, worin diese Feigheit eigentlich bestanden habe. Ich bezwang meine Verstimmung und kehrte nach dem Lagerplatz zurück.
    Es ward Abend. In der Mitte des weiten Talkessels brannte ein hoch empor züngelndes Feuer, um welches sämtliche anwesenden Bewohner der ‚Festung‘ sich versammelt hatten. Auch Harry, welcher, wie ich bald bemerkte, den Männern in jeder Beziehung gleichberechtigt war, hatte mitten unter denselben Platz genommen und betrachtete mich, wie es mir schien, mit weniger gehässigen Blicken als vorhin.
    Es wurden eine Reihe selbsterlebter Abenteuer erzählt, denen ich aufmerksam lauschte, bis ich mich erhob, um nach alter Gewohnheit mich einmal nach meinem Pferd umzusehen. Ich verließ das Feuer und schritt in das Dunkel hinaus, über welches sich der Himmel so freundlich, klar und sonnenhell ausbreitete, als strahlten seine Millionen Lichter nicht auf eine Erde hernieder, deren höchstorganisierte Wesen sich mit den Waffen in der Hand einander gegenüberstehen, um sich zu zerfleischen.
    Ein leises, freudiges Wiehern am Saum des Gebüsches, welches den Bach berandete, rief mich zu Swallow, welcher mich erkannt hatte und nun den Kopf zärtlich an meiner Schulter rieb. Er war mir doppelt lieb geworden, seit er mich durch Glut und Flut getragen, und liebkosend drückte ich meine Wange an seinen schlanken, weichen Hals.
    Ein kurzes Schnaufen seiner Nüstern, welches mir als Warnungszeichen bekannt war, ließ mich zur Seite blicken. Eine Gestalt kam auf uns zugeschritten, und ich sah den Zipfel des um den Kopf geschlungenen Tuches sich bewegen. Es war Harry.
    „Verzeiht, wenn ich störe“, klang seine jetzt etwas unsichere Stimme. „Ich dachte an Euren Swallow, welchem ich das Leben zu danken habe, und wollte das brave Tier gern begrüßen.“
    „Hier steht es. Ich werde diese Begrüßung nicht durch meine Gegenwart beeinträchtigen. Good night!“
    Ich wandte mich zum Gehen, hatte aber kaum ein Dutzend Schritte getan, als ich den halblauten Ruf vernahm:
    „Sir!“
    Ich blieb stehen. Zögernden Fußes kam Harry mir nach, und das eigentümliche Vibrieren seiner Stimme verriet die Verlegenheit, welche er nicht so schnell überwinden konnte.
    „Ich habe Euch beleidigt!“
    „Beleidigt?“ erwiderte ich kühl und ruhig; „Ihr irrt, Sir. Ich kann Euch gegenüber wohl Nachsicht, nie aber das Gefühl des Beleidigtseins empfinden.“
    Es dauerte eine Minute, ehe er eine Antwort auf diese vielleicht unerwarteten Worte fand.
    „Dann verzeiht meinen Irrtum.“
    „Gern; ich bin an ihn gewöhnt.“
    „Eure Nachsicht werde ich wohl nicht wieder in Anspruch nehmen.“
    „Sie steht Euch trotzdem zu jeder Zeit zur Verfügung.“
    Schon wollte ich mich wieder abwenden, als er mir mit seinem schnellen Schritt nahe trat und die Hand auf den Arm legte.
    „Lassen wir Persönlichkeiten jetzt unberührt. Ihr habt mit der größten Gefahr für Euer eigenes Leben mir dasjenige meines Vaters an einem Abend zweimal erhalten; ich muß Euch danken und wenn Ihr noch so böse und abstoßende Worte sprecht. Ich erfuhr erst vorhin, was Ihr getan habt.“
    „Jeder Westmann ist zu dem bereit, was ich getan habe, und es geschehen noch ganz andere Dinge als das ist, was Ihr da erwähnt. Was der eine für den anderen tut, ist ihm von noch anderen vielleicht schon zehnfach geschehen und kaum der Rede wert. Ihr dürft nicht nach dem Maßstab urteilen, welchen Eure Kindesliebe Euch in die Hand gibt.“
    „Erst war ich es, jetzt aber seid Ihr's, der ungerecht gegen sich selbst ist. Wollt Ihr's auch gegen mich sein?“
    „Nein!“
    „Dann darf ich wohl eine Bitte sagen?“
    „Sprecht sie aus!“
    „Zürnt mir, Sir; seid böse auf mich, so sehr Ihr nur immer könnt, wenn ich nicht recht tue, aber sprecht nicht wieder von Nachsicht! Wollt Ihr?“
    „Ich will.“
    „Danke! Und nun kehrt mit mir zum Feuer zurück, um den anderen gute Nacht zu sagen. Ich werde Euch Euren Schlafraum anweisen, und wir müssen bald die Ruhe suchen, da es morgen einen zeitigen Aufbruch geben wird.“
    „Aus welchem Grund?“
    „Ich habe am Bee-fork meine Fallen gestellt, und Ihr sollt mit mir gehen, nach dem Fang zu sehen.“
    Einige Minuten später standen wir vor einer der erwähnten Felltüren, welche er zurückschlug, um mich in einen dunklen Raum zu führen, der indes bald durch eine primitive und mit Hilfe des Punks' entzündete Hirschtalgkerze erleuchtet wurde.
    „Hier ist Euer bed-room (Schlafzimmer), Sir. Die

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