02 - Winnetou II
Company-Männer pflegen sich in diese Räume zurückzuziehen, wenn sie unter freiem Himmel einen Rheumatismus befürchten.“
„Und Ihr meint, daß dieser schlimme Gesell auch mir nicht unbekannt sei?“
„Will Euch das Gegenteil wünschen; aber das Tal ist feucht, da die rundum liegenden Berge dem Wind den Zutritt verwehren, und Vorsicht ist zu allen Dingen nütze, wie man drüben in der Heimat sagt. Schlaft wohl!“
Er bot mir die Hand und schritt dann mit freundlichem Kopfnicken hinaus.
Als ich allein war, blickte ich mich in der kleinen Klause um. Sie war nicht eine natürliche Höhle, sondern durch menschliche Hand in das Gestein gehauen worden. Den felsigen Fußboden hatte man mit gegerbten Häuten belegt; ebenso waren die Wände mit denselben behangen, und an der hinteren Wand stand die Lagerstätte, bestehend aus einer allerdings nur aus glatten Kirschbaumstämmchen zusammengesetzten Bettstelle, über welche sich auf einer dicken Lage weißer Yutafelle eine sehr hinreichende Anzahl echter Navajodecken breiteten.
Mehrere in den Ritzen eingeschlagene Holzpflöcke trugen Gegenstände, welche mich bald zu der Überzeugung brachten, daß Harry mir sein eigenes Kabinett abgetreten habe.
Nur die große Müdigkeit, welche ich nun doch fühlte, vermochte mich, in dem engen, abgeschlossenem Raum zu bleiben; denn wer seine Nächte in der Unendlichkeit der freien, offenen Prärie zugebracht hat, kann sich nur schwer entschließen, sich gleich darauf zur Benutzung desjenigen Gefängnisses zu bequemen, welches der zivilisierte Mensch eine ‚Wohnung‘ nennt.
Die Abgeschlossenheit meines Boudoirs mochte doch wohl schuld sein, daß mich der Schlaf etwas fester als gewöhnlich in seine Arme nahm; denn noch hatte ich mich nicht erhoben, als ich durch eine weckende Stimme wachgerufen wurde.
„Pooh! Sir, ich glaube gar, Ihr seid noch nicht ganz fertig, die Decken zu messen, meine ich. Streckt Euch noch ein wenig, aber nicht in die Länge, sondern in die Höhe; das wird gut sein, wie mir scheint!“
Ich sprang empor und sah mir den Störenfried, welcher unter der zurückgeschlagenen Tür stand, an. Es war Sam Hawkins. Während er gestern nur mit der Büchse versehen war, sah ich ihn jetzt in vollständiger Trapperausrüstung meiner warten, ein Beweis, daß er uns begleiten werde.
„Bin gleich fertig, lieber Sam.“
„Hoffe es; der kleine Sir steht, denke ich, schon am hole (Loch, Tür).“
„Ihr geht mit?“
„Scheint so, wenn ich mich nicht irre. Der kleine Sir soll doch das ‚Gerät‘ nicht etwa tragen, und Old Shatterhand ist das auch nicht zuzumuten.“
Vor die Tür tretend, bemerkte ich Harry, welcher am Eingang der Schlucht meiner wartete. Sam nahm einige zusammengebundene Fallen auf, warf sie über die Achsel und schritt, ohne sich zu überzeugen, daß ich ihm auch nachfolgte, auf die unser Harrenden zu.
„Lassen wir die Pferde hier?“ fragte ich.
„Meine nicht, daß Euer Tier gelernt hat, ein regelrechtes Eisen zu legen oder einen Dickschwanz (Biber) vom Grund des Flusses heraufzuangeln. Wir müssen die Beine auseinander nehmen, wenn wir zu rechter Zeit fertig sein wollen. Kommt also!“ antwortete Sam in seiner bekannten Weise.
„Muß doch erst nach dem Pferd sehen, Alter!“
„Ist nicht notwendig! Der kleine Sir hat's schon getan, wenn ich nicht irre.“
Ohne daß er es wußte, sagte er mir mit den letzten Worten etwas höchst Erfreuliches. Harry hatte sich also schon bei grauendem Tag um Swallow gekümmert, ein Zeichen, daß er auch an seinen Herrn gedacht habe. Jedenfalls hatte sein Vater von mir gesprochen und den Anstoß zur Änderung seiner Meinung gegeben. Eben wollte es mich wundern, daß er, der Wachsame, noch nicht zu sehen war, als er mit Winnetou und einem der Jäger durch den Bach gewatet kam.
Winnetou machte Harry sein indianisches Kompliment:
„Der Sohn Ribannas ist stark wie die Krieger vom Ufer des Gila. Sein Auge wird viele Biber sehen und seine Hand nicht tragen können die große Zahl der Felle.“ Und den Blick bemerkend, welchen ich, nach Swallow suchend, über das Tal warf, meinte er beruhigend: „Mein guter Bruder kann gehen; sein Freund wird sorgen für das Roß, welches auch besitzt die Liebe des Apachen.“
Nachdem wir durch die Kluft gegangen waren, wandten wir uns, der Richtung, aus der wir gestern kamen, entgegengesetzt, nach links und schritten den Lauf des Wassers abwärts, bis wir an die Stelle gelangten, an der es sich in den Mankizila
Weitere Kostenlose Bücher