02 - Winnetou II
ergoß.
Dichtes, fast undurchdringliches Gestrüpp bestand die Ufer des Flusses, und die Ranken des wilden Weines kletterten an den engstehenden Stämmen empor, liefen von Zweig zu Zweig, ließen sich, fest ineinander geschlungen, von oben hernieder, stiegen am nächsten Baum wieder in die Höhe und bildeten so ein Wirrwarr, in welches man sich nur mit Hilfe des Messers Eingang zu verschaffen vermochte.
Sam, der Kleine, war immer vor uns hergegangen, und seine vollbepackte Gestalt erinnerte mich lebhaft an die slowakischen Mausefallenhändler, welche sich drüben in meinem freundlichen Heimatstädtchen von Zeit zu Zeit sehen ließen. Trotzdem in der Nähe kein feindliches Wesen zu vermuten war, vermied sein großbeschuhter Fuß mit bewundernswerter Behendigkeit jeden Punkt, welcher eine Spur seines leisen Trittes zurückbehalten konnte, und die kleinen Äuglein streiften mit ununterbrochener Beweglichkeit bald rechts, bald links über die reiche Vegetation, welche trotz der späten Jahreszeit mit der Üppigkeit zu wetteifern vermochte, welche die jungfräulichen Bottoms des Mississippitales hervorbringen.
Jetzt hob er einige Ranken in die Höhe und kroch, sich bückend, unter ihnen hindurch.
„Kommt, Sir“, forderte Harry, ihm folgend, mich auf. „Hier zweigt unser Biberpfad ab.“
Wirklich zog sich hinter dem grünen Vorhang eine schmale, offene Linie durch das Dickicht, und wir schlüpften, immer parallel mit dem Fluß, eine ansehnliche Weile zwischen dem Baum- und Strauchgewirr hindurch, bis Sam bei einem halb knurrenden, halb pfeifenden Laut, welcher vom Wasser her vernehmlich wurde, innehielt und, sich zu uns wendend, die Hand an den Mund legte.
„Wir sind da“, flüsterte Harry, „und die Wache hat Verdacht geschöpft.“
Nach einer Weile, während welcher die tiefste Stille in der Umgebung herrschte, schlichen wir wieder vorwärts und gelangten an eine Biegung des Flusses, welche uns Gelegenheit bot, eine ansehnliche Biberkolonie zu beobachten.
Ein breiter, für einen vorsichtigen menschlichen Fuß gangbarer Damm war weit in das Wasser hineingebaut, und die vierfüßigen Bewohner desselben waren eifrig beschäftigt, ihn zu befestigen und zu vergrößern. Drüben am andern Ufer sah ich eine Anzahl der fleißigen Tiere bemüht, vermittelst ihrer scharfen Zähne schlanke Stämmchen so zu durchnagen, daß sie in das Wasser fallen mußten; andere waren mit dem Transport dieser Bäume beschäftigt, die sie schwimmend vor sich herschoben, und noch andere beklebten den Bau mit fettem Erdreich, welches sie vom Ufer herbeibrachten und vermittelst der Füße und des breiten, als Kelle gebrauchten Schwanzes an das Holz- und Strauchwerk befestigten.
Mit Interesse betrachtete ich das Treiben des regsamen Völkchens und hatte ganz besonders meine Aufmerksamkeit auf ein ungewöhnlich großes Exemplar gerichtet, welches in wachsamer Haltung auf dem Damm saß und allem Augenschein nach als Sicherheitsposten fungierte. Da plötzlich spitzte der dicke Kerl die kurzen Ohren, machte eine halbe Drehung um seine Achse, stieß den schon erwähnten Warnungsruf aus und war im nächsten Augenblick unter dem Wasser verschwunden.
Im Nu folgten die anderen nach, und es war höchst possierlich zu sehen, wie sie beim Untertauchen den Hinterkörper in die Höhe warfen und der Wasserfläche mit dem platten Schwanz einen Schlag versetzten, daß es weithin schallte und das Wasser hoch in die Höhe spritzte.
Freilich war es nicht Zeit, sich humoristischen Betrachtungen hinzugeben; denn diese unerwartete Störung konnte bloß durch das Nahen eines feindlichen Wesens hervorgerufen worden sein, und der größte Feind dieser friedlichen und so gesuchten Tiere ist – der Mensch.
Noch war deshalb der letzte der Biber nicht unter der Wasserfläche verschwunden, so lagen wir schon, die Waffe in der Hand, unter den tief herabhängenden Zweigen einiger Pinien und erwarteten mit Spannung das Erscheinen des unwillkommenen Gastes. Nicht lange dauerte es, so bewegten sich eine Strecke aufwärts von uns die Spitzen des Röhrichtes, und nur wenige Augenblicke später sahen wir zwei Indianer schleichenden Schrittes am Ufer herabkommen. Der eine hatte mehrere Fallen über der Schulter hängen; der andere trug eine Anzahl Felle, beide aber waren vollständig bewaffnet und beobachteten eine Haltung, welcher man es anmerkte, daß sie sich in Feindesnähe wußten.
„Zounds!“ zischte Sam durch die Zähne; „sind die Schurken über unsere Fallen
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