02 - Winnetou II
Sir?“
„Und diese vierfache Spur geht jedenfalls zum Lager der Rothäute, welche sich natürlich verborgen haben und die Rückkehr ihrer Kundschafter abwarten. Vor allen Dingen müssen wir dieses aufsuchen, um Gewißheit über ihre Zahl und Zwecke zu bekommen. Der Eingang zu unserer Ritterburg wird ja von einem Posten bewacht, der das Seinige schon tun wird, unser Geheimnis zu bewahren.“
„Ihr habt recht. Gehen wir vorwärts!“
Der Wald lief von der Höhe, zu welcher das Flußtal emporstieg, eine ansehnliche Strecke in die Ebene hinein und war von tiefen, felsigen Rinnen durchschnitten, in welchen Farnkraut und wildes Beergesträuch üppig wucherte. Eben nahten wir uns leise einer dieser Einsenkungen, als ich einen brenzligen Geruch bemerkte und, dadurch aufmerksam gemacht, mit schärferem Blick die Waldung aufmerksam zu durchdringen suchend, eine leichte, dünne Rauchsäule wahrnahm, welche, oft unterbrochen oder auch ganz verschwindend, in spielender Bewegung gerade vor uns zu den Baumkronen in die Höhe stieg.
Dieser Rauch konnte nur von einem Indianerfeuer kommen; denn während der Weiße das Holz gleich in seiner ganzen Länge in die Glut wirft und dadurch eine breite und hochleckende Flamme hervorbringt, welche stets eine ansehnliche und oft verräterische Menge Rauches erzeugt, schiebt der Wilde die Scheite nur mit den Spitzen in das Feuer, wodurch nur eine kleine Flamme mit kaum wahrnehmbarem Rauch entsteht. Winnetou pflegte von solchen großen Feuern der Weißen zu sagen: „Die Bleichgesichter machen mit ihrem Feuer so viel Hitze, daß sie sich nicht daran setzen können, um sich zu wärmen.“
Ich hielt Harry zurück und machte ihn auf meine Bemerkung aufmerksam.
„Streckt Euch hinter jenes Gestrüpp; ich werde mir die Leute ansehen!“
„Warum nicht auch ich?“
„Einer genügt; bei zweien ist die Gefahr des Entdeckens eine doppelt große.“
Er nickte zustimmend und schritt, behutsam jede Spur verwischend, seitwärts, während ich, von Stamm zu Stamm Deckung suchend, gegen die Rinne schlich.
Auf dem Grund derselben saßen oder lagen eng aneinandergedrängt eine solche Menge Rothäute, daß die Vertiefung sie kaum zu fassen vermochte; unten am Ausgang derselben stand bewegungslos wie eine eherne Statue ein junger langhaariger Bursche, und auch hüben und drüben am Rand bemerkte ich Wachen, denen mein Nahen glücklicherweise vollständig entgangen war.
Ich versuchte, die Lagernden zu zählen, und nahm deshalb jeden Einzelnen ins Auge, hielt aber bald in größter Überraschung inne. Als der Nächste am Feuer saß – war es denn nur auch möglich? – der weiße Häuptling Parranoh oder Tim Finnetey, wie er von Old Firehand genannt worden war. Ich hatte in jener Nacht sein Gesicht beim Schein des Mondes und dann beim Niederstoßen seiner Person zu deutlich gesehen, um mich jetzt täuschen zu können, und doch wurde ich irre an mir selbst; denn von seinem Kopf hing die prächtigste Skalplocke herab, während Winnetou sie ihm doch genommen und nicht eine Minute lang aus seinem Gürtel gebracht hatte.
Da machte der Wachtposten, welcher diesseits der Schlucht stand, eine Bewegung nach dem Ort zu, an welchem ich, von einem Felsstück verborgen, lag, und ich mußte mich deshalb schleunigst zurückziehen.
Glücklich bei Harry angelangt, winkte ich ihm, mir zu folgen, und schritt nun den Weg, welchen wir gekommen waren, wieder bis zu der Stelle zurück, an welcher sich die Spuren teilten. Von hier aus verfolgten wir die neue Fährte, welche durch das dichteste Pflanzengewirr immer gerade auf das Tal zulief, durch welches wir gestern gekommen und von dem Posten angerufen worden waren.
Es war mir jetzt klar, daß die Ponkas sich verstärkt hatten und uns dann Schritt um Schritt gefolgt waren, um sich an uns zu rächen. Unser Aufenthalt während der Krankheit Old Firehands hatte ihnen Zeit gegeben, alle verfügbaren Kräfte zusammenzuziehen; aber warum sich wegen uns dreien eine so große Zahl streitbarer Krieger versammelt hatte, warum sie nicht schon längst über uns hergefallen waren und statt dessen uns ruhig hatten ziehen lassen, das konnte ich nicht begreifen, wenn ich nicht annehmen wollte, daß Parranoh von der Jägerniederlassung wisse und seine Pläne auf sämtliche Angehörigen derselben erstrecke.
Die beiden Vorangeschlichenen hatten uns gut Bahn gebrochen, so daß wir verhältnismäßig schnell vorwärts kamen und uns gar nicht mehr weit von dem senkrecht unsere Richtung
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