02 - Winnetou II
von allem, was sich auf unseren Handel bezog. Er zeigte sehr gute Fachkenntnisse und brachte dieselben in so anspruchsloser Weise zum Vorschein, daß selbst Winnetou Wohlgefallen an ihm zu haben schien und sich an dem Gespräch mehr, als sonst in seiner Gewohnheit lag, beteiligte. Wir erzählten unsere letzten Erlebnisse und fanden sehr aufmerksame Zuhörer. Natürlich erkundigten wir uns auch nach dem Pedlar selbst, ohne dessen Anwesenheit und Zustimmung das Geschäft ja nicht abgeschlossen werden konnte. Hierauf antwortete Rollins:
„Ich kann Euch leider nicht sagen, wo mein Prinzipal sich grad heut befindet oder morgen und übermorgen befinden wird. Ich sammle die Aufträge und überbringe sie ihm zu gewissen Tagen, an denen ich weiß, wo ich ihn treffen werde. Wie lange hat man zu reiten, um zu Mr. Firehand zu kommen?“
„Drei Tage.“
„Hm! Von heut an in sechs Tagen wird Mr. Burton oben am Riffley-Fork sein, und ich hätte also Zeit, mit Euch zu gehen, um mir die Ware anzusehen und den ungefähren Wert derselben zu bestimmen. Dann erstatte ich ihm Bericht und bringe ihn zu Euch, natürlich aber nur dann, wenn ich bei Euch der Ansicht werde, daß wir auf das Geschäft eingehen können und er derselben Meinung ist. Was sagt Ihr dazu, Sir?“
„Daß Ihr allerdings die Ware sehen müßt, ehe Ihr sie kaufen könnt. Nun wäre es mir lieber, wenn wir Mr. Burton selbst da hätten.“
„Das ist nun einmal nicht der Fall, und selbst wenn er hier wäre, fragte es sich sehr, ob er gleich mit Euch reiten könnte. Unser Geschäft hat einen größeren Umfang, als Ihr denkt, und der Prinzipal besitzt nicht die nötige Zeit, drei Tage weit zu reiten, ohne vorher zu wissen, ob es ihm möglich sein werde, ein Gebot zu machen. Ich bin überzeugt, daß er Euch nicht selbst begleiten, sondern Euch einen von uns mitgeben würde, und da trifft es sich ja ganz gut, daß ich es grad jetzt ermöglichen kann, den Weg mit Euch zu machen. Sagt also ja oder nein, damit ich weiß, woran ich bin!“
Es gab nicht den mindesten Grund, seinen Vorschlag zurückzuweisen; ich war vielmehr überzeugt, ganz im Sinn Old Firehands zu handeln, indem ich antwortete:
„Habt Ihr die Zeit dazu, so ist es uns recht, daß Ihr mit uns reitet; aber dann gleich morgen früh!“
„Natürlich! Unsereiner hat keine Stunde, noch viel weniger aber ganze Tage zu verschenken. Wir brechen auf, sobald der Morgen graut, und darum schlage ich vor, daß wir uns zeitig niederlegen.“
Auch hiergegen gab es nichts einzuwenden, obwohl wir dann später erfuhren, daß dieser Mann ganz und gar nicht so harmlos war, wie er sich den Anschein gab. Er stand vom Tisch auf und half der Settlersfrau, die Felle und Decken auszubreiten, auf welchen geschlafen werden sollte. Als sie damit fertig waren, gab er uns beiden unsere Plätze an.
„Danke!“ sagte ich. „Wir ziehen vor, im Freien zu liegen. Die Stube ist voller Rauch; draußen haben wir bessere Luft.“
„Aber Mr. Shatterhand, Ihr werdet nicht schlafen können, und außerdem ist es jetzt kühl des Nachts.“
„Diese Kühle sind wir gewöhnt, und was den Mond betrifft, so kommt es uns nicht in den Sinn, ihm zu verbieten, dahin zu gucken, wohin es ihm beliebt.“
Er machte noch einige Versuche, uns von diesem Vorhaben abzubringen, doch vergeblich. Wir nahmen keinen Anstoß daran, und erst später, als wir ihn kennengelernt hatten, erinnerten wir uns, freilich zu spät, daran, daß dieses sein Zureden eigentlich auffällig gewesen war; wir hätten die Absichtlichkeit bemerken sollen.
Ehe wir hinausgingen, machte der Wirt gegen uns die Bemerkung:
„Ich bin gewöhnt, die Tür zu verriegeln. Soll ich sie heut offen lassen, Mesch'schurs?“
„Warum das?“
„Ihr könntet etwas zu wünschen haben.“
„Wir werden nichts wünschen. In diesen Gegenden ist es nicht geraten, die Türen des Nachts unverschlossen zu halten. Hätten wir Euch ja etwas zu sagen, so würden wir es durch das Fenster tun.“
„Ja, die werden nicht zugemacht.“
Als wir aus dem Haus getreten waren, hörten wir deutlich, daß der Wirt hinter uns den Riegel vor die Tür schob. Der Mond stand so niedrig, daß das Gebäude seinen Schatten über die Umfriedung warf, in welcher sich die Pferde befanden; wir gingen also dahinein, um im Dunkeln zu liegen. Swallow und Winnetous Pferd hatten sich nebeneinander niedergetan; ich breitete neben dem ersteren meine Decke aus, legte mich auf dieselbe und nahm den Hals des Rappen zum Kopfkissen, wie
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