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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bestrafe, daß ist ein großer Unterschied.“
    „Habe ich den Tod verdient?“
    „Ja.“
    „Das ist nicht wahr. Ich befinde mich auf dem Gebiet, welches uns gehört.“
    „Du befindest dich im Wigwam eines Bleichgesichtes; ob dieser auf deinem Gebiet liegt, das ist gleichgültig. Wer ohne meine Erlaubnis in mein Wigwam eindringt, der hat nach den Gesetzen des Westens den Tod zu erwarten. Mein Bruder Winnetou hat dir gesagt, wie du hättest handeln sollen, und ich stimme vollständig mit ihm überein. Es kann uns kein Mensch tadeln, wenn wir dir jetzt das Leben nehmen. Aber du kennst uns und weißt, daß wir niemals Blut vergießen, wenn es nicht unumgänglich nötig ist. Vielleicht ist es möglich, mit dir ein Übereinkommen zu treffen, durch welches du dich retten kannst. Wende dich an den Häuptling der Apachen; dieser wird dir sagen, was du zu erwarten hast.“
    Er war gekommen, um zu richten, und nun standen wir als Richter vor ihm; er befand sich in großer Verlegenheit; dies war ihm anzusehen, obgleich er sich große Mühe gab, es zu verbergen. Er hätte wohl gern noch etwas zu seiner Verteidigung gesagt, konnte aber nichts vorbringen. Darum zog er es vor, zu schweigen, und sah dem Apachen mit einem Ausdruck, welcher halb derjenige der Erwartung und halb der des unterdrückten Zornes war, in das Gesicht. Hierauf schweifte sein Gesicht zu Rollins, dem Gehilfen des Pedlars hinüber. Ob dies Zufall war, oder ob es absichtlich geschah, das wußte ich in diesem Augenblick nicht, doch kam es mir vor, als ob in diesem Blick eine Aufforderung, ihn zu unterstützen, liege. Der Genannte nahm sich auch wirklich seiner an, indem er sich an Winnetou wendete:
    „Der Häuptling der Apachen wird nicht blutgierig sein. Man pflegt selbst hier im wilden Westen nur Taten zu bestrafen, welche wirklich ausgeführt worden sind; es ist aber hier noch nichts geschehen, auf was eine Strafe folgen muß.“
    Winnetou warf ihm, wie ich sah, einen mißtrauisch forschenden Blick zu und antwortete:
    „Was ich und mein Bruder Old Shatterhand zu denken und zu beschließen haben, das wissen wir, ohne daß jemand es uns zu sagen braucht. Deine Worte sind also unnütz, und du magst dir merken, daß ein Mann kein Schwätzer sein soll, sondern nur dann redet, wenn es notwendig ist.“
    Warum diese Zurechtweisung? Winnetou wußte es wohl selbst kaum, aber wie es sich später herausstellte, hatte sein stets bewährter Instinkt auch hier wieder einmal das Richtige gefunden. Er fuhr, sich wieder an den Okananda wendend, fort:
    „Du hast die Wort Old Shatterhands gehört; seine Meinung ist auch die meinige. Wir wollen dein Blut nicht vergießen, aber nur dann, wenn du mir jetzt die Wahrheit sagst. Versuche nicht, mich zu täuschen; es würde dir nicht gelingen. Sag mir also ehrlich, weshalb ihr hierher gekommen seid. Oder solltest du so feig sein, es leugnen zu wollen?“
    „Uff!“ stieß der Gefragte zornig hervor. „Die Krieger der Okanandas sind keine so furchtsamen Menschen, wie du vorhin sagen wolltest. Ich leugne nicht. Wir wollten dieses Haus überfallen.“
    „Und verbrennen?“
    „Ja.“
    „Was sollte mit den Bewohnern geschehen?“
    „Wir wollten sie töten.“
    „Habt ihr dies aus eigenem Antrieb beschlossen?“
    Der Okananda zögerte mit der Antwort; darum sprach Winnetou sich deutlicher aus:
    „Seid ihr vielleicht von irgend jemand auf diesen Gedanken gebracht worden?“
    Auch jetzt schwieg der Gefragte, was in meinen Augen ebensoviel wie ein laut ausgesprochenes Ja bedeutete.
    „Das ‚Braune Pferd ‘ scheint keine Worte zu finden“, fuhr der Apache fort. „Er mag bedenken, daß es sich um sein Leben handelt. Wenn er es erhalten will, muß er reden. Ich will wissen, ob es einen Urheber dieses Überfalles gibt, welcher nicht zu den Kriegern der Okanandas gehört.“
    „Ja, es gibt einen solchen“, ließ der Gefangene sich endlich hören.
    „Wer ist es?“
    „Würde der Häuptling der Apachen einen Verbündeten verraten?“
    „Nein“, gab Winnetou zu.
    „So darfst du mir nicht zürnen, wenn auch ich den meinigen nicht nenne.“
    „Ich zürne dir nicht. Wer einen Freund verrät, verdient, wie ein räudiger Hund erschlagen zu werden. Du magst also den Namen verschweigen; aber ich muß wissen, ob der Mann ein Okananda ist.“
    „Es ist keiner.“
    „Gehört er zu einem andern Stamm?“
    „Nein“.
    „So ist er ein Weißer?“
    „Ja.“
    „Befindet er sich mit draußen bei deinen Kriegern?“
    „Nein; er ist

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