02 - Winnetou II
ich schon oft getan hatte. Er war dies nicht nur gewöhnt, sondern er hatte es sogar sehr gern. Bald schlief ich ein.
Ich mochte eine Stunde geschlafen haben, als ich durch eine Bewegung meines Pferdes aufgeweckt wurde. Es rührte sich nie, so lange ich bei ihm lag, außer wenn etwas Ungewöhnliches passierte; jetzt hatte es den Kopf hoch erhoben und sog die Luft mißtrauisch durch die Nüstern. Sofort war ich auf und ging in der Richtung, nach welcher Swallow windete, nach der Fenz; dies tat ich in gebückter Haltung, um nicht von außen gesehen zu werden. Indem ich vorsichtig über die Umzäunung lugte, bemerkte ich in der Entfernung von vielleicht zweihundert Schritten eine Bewegung, welche sich langsam näherte. Das war eine Anzahl von Menschen, welche am Boden lagen und herbeigekrochen kamen. Ich drehte mich um, Winnetou schnell zu benachrichtigen; da stand er schon hinter mir; er hatte im Schlaf die leisen Schritte gehört, mit denen ich fortgeschlichen war.
„Sieht mein Bruder die Gestalten dort?“ fragte ich ihn.
„Ja“, antwortete er; „es sind rote Krieger.“
„Wahrscheinlich Okanandas, welche das Blockhaus überfallen wollen.“
„Old Shatterhand hat das Richtige erraten. Wir müssen in das Haus.“
„Ja, wir stehen dem Settler bei. Aber die Pferde können wir nicht hier lassen, denn die Okanandas würden sie mitnehmen.“
„Wir schaffen sie mit in das Haus. Komm schnell! Es ist gut, daß wir uns im Schatten befinden; da sehen uns die Sioux nicht.“
Wir kehrten schnell zu den Pferden zurück, ließen sie aufstehen und führten sie aus dem umfenzten Platz nach dem Haus. Eben wollte Winnetou die Schläfer drin durch das offene Fenster wecken, da sah ich, daß die Tür nicht verschlossen war, sondern eine Lücke offen stand; ich stieß sie vollends auf und zog mein Pferd in das Innere. Winnetou folgte mir mit seinem Pferd und schob hinter sich den Riegel vor. Das Geräusch, welches wir verursachten, weckte die Schlafenden auf.
„Wer ist da? Was gibt es? Pferde im Haus?“ fragte der Settler, indem er aufsprang.
„Wir sind es, Winnetou und Old Shatterhand“, antwortete ich, weil er uns nicht erkennen konnte, denn das Feuer war ausgegangen.
„Ihr? Wie seid ihr hereingekommen?“
„Durch die Tür.“
„Die habe ich doch zugemacht!“
„Sie war aber offen.“
„Alle Wetter! Da muß ich den Riegel nicht ganz zugeschoben haben, als ihr hinausginget. Aber warum bringt ihr die Pferde herein?“
Er hatte freilich den Riegel vorgeschoben, aber der Händler hatte denselben, als die Settlers schliefen, wieder aufgemacht, damit die Indianer hereinkönnten. Ich antwortete:
„Weil wir sie uns nicht stehlen lassen wollen.“
„Stehlen lassen? Von wem?“
„Von den Okananda-Sioux, welche soeben herangeschlichen kommen, euch zu überfallen.“
Es läßt sich denken, welche Aufregung diese Worte hervorriefen. Corner hatte zwar am Abend gesagt, er fürchte sich nicht vor ihnen, aber nun sie wirklich kamen, erschrak er ungeheuer. Rollins gab sich den Anschein, als ob er ebenso entsetzt sei wie die anderen. Da gebot Winnetou Ruhe, indem er sagte:
„Seid still! Mit Schreien kann man keinen Feind besiegen. Wir müssen eiligst darüber einkommen, wie wir die Okananda von uns abwehren wollen.“
„Darüber brauchen wir doch nicht erst zu beraten“, antwortete Corner. „Wir putzen sie mit unseren Gewehren weg, einen nach dem andern, grad so wie sie kommen. Erkennen können wir sie, denn der Mond scheint hell genug dazu.“
„Nein, das werden wir nicht tun“, erklärte der Apache.
„Warum nicht?“
„Weil man nur dann Menschenblut vergießen soll, wenn es durchaus notwendig ist.“
„Hier ist es notwendig, denn diese roten Hunde müssen eine Lehre bekommen, welche die Überlebenden nicht so leicht vergessen werden.“
„Mein weißer Bruder nennt die Indianer also rote Hunde? Er mag doch auch beherzigen, daß ich auch ein Indianer bin. Ich kenne meine roten Brüder besser, als er sie kennt. Wenn sie sich an einem Bleichgesicht vergreifen, so haben sie stets Ursache dazu. Entweder sind sie von ihm angefeindet worden, oder ein anderer Weißer hat sie durch irgendein Vorgeben, dem sie Glauben schenken müssen, dazu beredet. Die Ponkas überfielen uns bei Old Firehand, weil ihr Anführer ein Weißer war, und wenn diese Okananda-Sioux jetzt kommen, um dich zu berauben, so ist ganz gewiß auch ein Bleichgesicht schuld daran.“
„Das glaube ich nicht.“
„Was du glaubst, das ist
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