02 - Winnetou II
zerstampft.“
„Meint Ihr, daß es hier Leute gibt, welche es sich zum Vergnügen machen, den Boden zu zerstampfen, um dann entdeckt und ausgelöscht zu werden.“
„Nein; aber mit Pferden ist es gar nicht zu umgehen, deutlichere Spuren zu verursachen.“
„Die Personen, welche hier gewesen sind, haben eben keine Pferde gehabt.“
„Keine Pferde? Das wäre auffällig, vielleicht sogar verdächtig. Ich denke, in dieser Gegend kann kein Mensch, der nicht beritten ist, existieren.“
„Ist auch meine Meinung; aber habt Ihr noch nicht erlebt oder gehört, daß jemand auf irgendeine Weise um sein Pferd gekommen ist?“
„Das wohl. Aber Ihr redet nicht von einem, sondern von mehreren Menschen. Einer kann sein Pferd verlieren, ob aber mehrere – – –?!“
Er tat so altklug, obgleich er nicht viel zu verstehen schien; ich hätte ihm nicht wieder geantwortet, selbst wenn ich nicht jetzt von Winnetou gefragt worden wäre:
„Weiß mein Bruder Old Shatterhand, woran er mit dieser Fährte ist?“
„Ja.“
„Drei Bleichgesichter ohne Pferd; sie haben nicht Gewehre, sondern Stöcke in den Händen getragen. Sie sind von hier aus fortgegangen, indem einer in die Stapfen des andern trat und der hinterste die Eindrücke zu verwischen suchte; sie scheinen also anzunehmen, daß sie verfolgt werden.“
„Das kommt auch mir so vor. Ob sie vielleicht gar keine Waffen haben?“
„Wenigstens Flinten haben diese drei Weißen nicht. Da sie hier ausgeruht haben, müßten wir die Spuren ihrer Gewehre sehen.“
„Hm! Sonderbar! Drei unbewaffnete Bleichgesichter in dieser gefährlichen Gegend! Man kann sich das nur damit erklären, daß sie Unglück gehabt haben, vielleicht gar überfallen und beraubt worden sind.“
„Mein weißer Bruder hat ganz meine Meinung. Diese Männer haben sich auf Stöcke gestützt, welche sie abgebrochen haben; man sieht die Löcher deutlich im Boden. Sie bedürfen wohl der Hilfe.“
„Wünscht Winnetou, daß wir sie ihnen gewähren?“
„Der Häuptling der Apachen hilft gern jedem, der seiner bedarf, und fragt nicht, ob es ein Weißer oder ein Roter ist. Doch mag Old Shatterhand bestimmen, was wir tun. Ich möchte helfen, aber ich habe kein Vertrauen.“
„Warum nicht.“
„Weil das Verhalten dieser Bleichgesichter ein zweideutiges ist. Sie haben sich so große Mühe gegeben, ihre weiterführenden Spuren auszulöschen; warum haben sie die hier an der Lagerstelle nicht ebenso vertilgt?“
„Vielleicht glaubten sie, keine Zeit dazu zu haben. Oder: daß sie hier ausgeruht haben, das konnte man wissen; aber wohin sie dann gegangen sind, das wollen sie verbergen.“
„Vielleicht ist es so, wie mein Bruder sagt; aber dann sind diese Weißen nicht gute Westmänner, sondern unerfahrene Leute. Wir wollen ihnen nach, um ihnen zu helfen.“
„Ich bin gern einverstanden, zumal es nicht den Anschein hat, daß wir da von unserer Richtung sehr abzuweichen brauchen.“
Wir stiegen wieder auf; Rollins aber zögerte damit und sagte in bedenklichem Ton:
„Ist es nicht besser, diese Leute sich selbst zu überlassen? Es kann uns doch nichts nützen, ihnen nachzureiten.“
„Uns freilich nicht, sondern ihnen“, antwortete ich.
„Aber wir versäumen unsere Zeit dabei!“
„Wir sind nicht so pressiert, daß wir versäumen müßten, Leuten zu helfen, welche der Unterstützung sehr wahrscheinlich bedürfen.“
Ich sagte das in einem etwas scharfen Ton; er brummte einige mißmutige Worte in den Bart und stieg aufs Pferd, um uns zu folgen, die wir nun der Spur nachritten. Ich hatte noch immer kein rechtes Vertrauen zu ihm, doch kam es mir nicht bei, ihn für so außerordentlich verschlagen zu halten, wie er wirklich war.
Die Fährte verließ den Wald und das Gebüsch und führte auf die offene Savanne hinaus; sie war frisch, höchstens eine Stunde alt, und da wir schnell ritten, dauerte es nicht lange, so sahen wir die Gesuchten vor uns. Als wir sie bemerkten, mochten sie ungefähr eine englische Meile von uns entfernt sein, und wir hatten diese Strecke erst halb zurückgelegt, als sie auf uns aufmerksam wurden. Einer von ihnen sah sich um, erblickte uns und teilte es den andern mit. Sie blieben eine kurze Zeit stehen, vor Schreck, wie es schien; dann aber begannen sie zu laufen, als ob es sich um ihr Leben handle. Wir trieben unsere Pferde an; es war uns natürlich eine Leichtigkeit, sie einzuholen, doch rief ich ihnen, ehe wir sie erreichten, einige beruhigende Worte zu, und dies
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