02 - Winnetou II
Stückchen Fleisch oder so etwas aushelfen könnt?“
„Das werden wir; aber sagt, wohin ihr eigentlich wollt!“
„Nach Wilkes Fort.“
„Kennt ihr den Weg dorthin?“
„Nein, doch glaubten wir, die Richtung so ungefähr getroffen zu haben.“
„Dies ist allerdings der Fall. Habt ihr denn einen Grund, grad dorthin zu wollen?“
„Den besten, den es gibt. Ich sagte bereits, daß wir drei vorausgegangen seien, um uns das Land anzusehen; unsere Angehörigen sind hinterhergekommen und warten in Wilkes Fort auf uns. Erreichen wir glücklich diesen Ort, so ist uns dann geholfen.“
„Da habt ihr es jetzt möglichst gut getroffen. Wir haben ganz dieselbe Richtung mit euch und stehen in guter Verbindung mit Wilkes Fort. Ihr könnt euch uns anschließen.“
„Wirklich? Wollt ihr uns das erlauben, Sir?“
„Natürlich! Wir können euch doch nicht hier im Stich lassen.“
„Aber die Roten haben uns die Pferde genommen; wir müssen also laufen, und das wird euch Zeit kosten!“
„Das ist nicht zu ändern. Setzt euch jetzt nieder, und ruht euch aus; ihr sollt vor allen Dingen etwas zu essen haben.“
Der Pedlar schien mit diesem Gang der Sache nicht einverstanden zu sein; er fluchte leise vor sich hin und murmelte etwas von Zeitversäumnis und unnützer Mildherzigkeit; wir achteten aber nicht darauf, stiegen ab, lagerten uns mit in das Gras und gaben den drei Hilfsbedürftigen zu essen. Sie ließen es sich wohl schmecken, und dann, als sie sich ausgeruht hatten, setzten wir den unterbrochenen Ritt fort, indem wir von ihrer bisherigen Richtung ab- und in unsere frühere einbogen. Sie waren ganz glücklich darüber, von uns gefunden worden zu sein, und hätten sich wohl gern mehr mit uns unterhalten, wenn wir, nämlich Winnetou und ich, gesprächigere Leute gewesen wären.
Was den Pedlar betrifft, so machten sie zwar einige Male den Versuch, ihn zum Reden und Erzählen zu bringen, doch vergeblich; er war zornig über unser Zusammentreffen mit ihnen und wies sie scharf von sich. Das machte ihn mir noch unsympathischer, als er mir vorher gewesen war, und infolgedessen schenkte ich ihm jetzt mehr, allerdings heimliche Aufmerksamkeit, als ich bis jetzt für ihn gehabt hatte. Das Resultat dieser Aufmerksamkeit war aber ein ganz anderes, als man denken sollte.
Ich bemerkte nämlich, daß, wenn er sich unbeobachtet wähnte, ein höhnisches Lächeln oder ein Ausdruck schadenfroher Genugtuung über sein Gesicht glitt. Und wenn dies der Fall war, so warf er dann allemal einen scharf forschenden Blick auf Winnetou und mich. Das hatte ganz gewiß etwas zu bedeuten, und zwar etwas für uns nicht Vorteilhaftes. Ich beobachtete ihn schärfer, wobei ich mich jedoch so in acht nahm, daß er es nicht bemerken konnte, und sah hierauf noch ein zweites.
Er nahm nämlich zuweilen einen von den drei Fußgängern ins Auge, und wenn sich da die Blicke beider trafen, so glitten sie zwar schnell voneinander ab, aber es war mir dabei ganz so, als ob ein gewisses heimliches Einvernehmen zu bemerken sei. Sollten die vier einander kennen, sollten sie wohl gar zusammengehören? Sollte das abstoßende Wesen des Pedlar bloß Maske sein?
Aber welchen Grund konnte er haben, uns zu täuschen? Die andern drei waren uns zu Dank verpflichtet. Konnte ich mich nicht irren?
Sonderbar! Die – ich möchte fast sagen, Kongruenz der Gefühle, Ansichten und Gedanken zwischen dem Apachen und mir machte sich auch jetzt wieder geltend. Eben als ich über die erwähnte Beobachtung nachdachte, hielt er sein Pferd an, stieg ab und sagte zu dem alten Warton:
„Mein weißer Bruder ist lang genug gegangen; er mag sich auf mein Pferd setzen. Old Shatterhand wird das seinige auch gern herleihen. Wir sind sehr schnelle Läufer und werden gleichen Schritt mit den Rossen halten.“
Warton tat so, als ob er diesen Dienst nicht annehmen wolle, fügte sich aber gern; sein Sohn bekam mein Pferd. Der Pedlar hätte das seinige nun eigentlich dem Neffen borgen sollen, tat dies aber nicht; darum wechselte dieser später mit dem Sohn ab.
Da wir nun zu Fuß waren, konnte es nicht auffallen, daß wir hinterdreinschritten. Wir hielten uns so weit zurück, daß die andern unsere Worte nicht verstehen konnten, und waren außerdem so vorsichtig, uns der Apachensprache zu bedienen.
„Mein Bruder Winnetou hat sein Pferd nicht aus Mitleid, sondern aus einem andern Grund hergegeben?“ fragte ich ihn.
„Old Shatterhand errät es“, antwortete er.
„Hat Winnetou die vier
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