Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
hatte die Folge, daß sie stehen blieben.
    Sie waren wirklich unbewaffnet, vollständig unbewaffnet; sie hatten nicht einmal ein Messer, um sich die Stöcke abzuschneiden, sondern diese abgebrochen; ihre Anzüge aber befanden sich in gutem Zustand. Der eine von ihnen hatte ein Tuch um die Stirn gewickelt, und der andere trug den linken Arm in der Binde; der dritte war unverletzt. Sie sahen uns mit mißtrauischen, ja ängstlichen Blicken entgegen.
    „Was rennt ihr denn in dieser Weise, Mesch'schurs?“ fragte ich, als wir bei ihnen anhielten.
    „Wissen wir, wer und was ihr seid?“ antwortete der älteste von ihnen.
    „Das war gleich. Wir mochten sein, wer wir wollten, wir hätten euch auf alle Fälle eingeholt; darum war euer Rennen unnütz. Doch braucht ihr euch nicht zu sorgen; wir sind ehrliche Leute und euch, als wir eure Spur sahen, nachgeritten, um euch zu fragen, ob wir euch vielleicht mit etwas dienen können. Wir vermuteten nämlich, daß euer gegenwärtiges Befinden nicht ganz nach euren Wünschen sei.“
    „Da habt Ihr Euch freilich nicht getäuscht, Sir. Es ist uns übel ergangen, und wir sind froh, daß wir wenigstens das nackte Leben erhalten haben.“
    „Bedaure es. Wer hat euch denn in dieser Weise mitgespielt? Etwa Weiße?“
    „O nein, sondern die Okananda-Sioux.“
    „Ach, diese! Wann?“
    „Gestern früh.“
    „Wo?“
    „Da droben am oberen Turkey-River.“
    „Wie ist das denn gekommen? Oder meint ihr vielleicht, daß ich lieber nicht danach fragen soll?“
    „Warum nicht, wenn ihr nämlich wirklich das seid, wofür ihr euch ausgebt, nämlich ehrliche Leute. Wenn dies der Fall ist, so werdet ihr uns wohl erlauben, nach euren Namen zu fragen.“
    „Die sollt ihr erfahren. Dieser rote Gentleman hier ist Winnetou, der Häuptling der Apachen; mich pflegt man Old Shatterhand zu nennen, und dieser dritte Mann ist Mr. Rollins, ein Pedlar, der sich uns aus Geschäftsgründen angeschlossen hat.“
    „Heigh-day, da ist ja jedes Mißtrauen vollständig ausgeschlossen! Von Winnetou und Old Shatterhand haben wir genug gehört, wenn wir uns auch nicht zu den Westmännern rechnen dürfen. Das sind zwei Männer, auf welche man sich in jeder Lage verlassen kann, und wir danken dem Himmel, daß er euch in unsern Weg geführt hat. Ja, wir sind hilfsbedürftig, sehr hilfsbedürftig, Mesch'schurs, und ihr verdient einen Gotteslohn, wenn ihr euch unser ein wenig annehmen sollt.“
    „Das werden wir gern; sagt uns nur, in welcher Weise dies geschehen kann!“
    „Da müßt ihr erst erfahren, wer wir sind. Ich heiße Warton; dieser hier ist mein Sohn und der andere mein Neffe. Wir kommen aus der Gegend von Neu-Ulm herüber, um uns am Turkey-River anzusiedeln.“
    „Eine große Unvorsichtigkeit!“
    „Leider! Aber wir wußten dies nicht. Es wurde uns alles so schön und leicht hergemacht; es klang so, als ob man sich nur herzusetzen und die Ernten einzuheimsen brauche.“
    „Und aber die Indianer? Habt ihr denn an diese gar nicht gedacht?“
    „O doch; aber sie wurden uns ganz anders geschildert, als wir sie gefunden haben. Wir kamen wohlausgerüstet, um uns zunächst die Gelegenheit anzusehen und ein Stück gutes Land auszuwählen. Dabei fielen wir den Roten in die Hände.“
    „Dankt Gott, daß ihr noch am Leben seid!“
    „Freilich, freilich! Es sah erst weit schlimmer aus, als es hernach geschah. Die Kerls sprachen vom Marterpfahl und andern schönen Dingen; dann begnügten sie sich aber damit, uns außer den Kleidern alles, was wir besaßen, abzunehmen und dann fortzujagen. Sie schienen doch notwendigere Dinge vorzuhaben, als sich mit uns zu schleppen.“
    „Notwendigere Dinge? Habt Ihr vielleicht erfahren, was das gewesen ist?“
    „Wir verstehen ihre Sprache nicht; aber der Häuptling hat, als er englisch mit uns radebrechte, einen Settler Namens Corner erwähnt, auf den sie es, wie es schien, abgesehen hatten.“
    „Das stimmt. Den wollten sie am Abend überfallen, und darum hatten sie nicht Zeit und Lust, sich mit euch zu befassen. Diesem Umstand habt ihr euer Leben zu verdanken.“
    „Aber was für ein Leben!“
    „Wieso?“
    „Ein Leben, welches kein Leben ist. Wir haben keine Waffe, nicht einmal ein Messer, und können kein Wild schießen oder fangen. Seit gestern früh haben wir Wurzeln und Beeren gegessen, und auch dies hat hier in der Prärie aufgehört. Ich glaube, wenn wir euch nicht getroffen hätten, müßten wir verhungern. Denn ich darf doch hoffen, daß ihr uns mit einem

Weitere Kostenlose Bücher