02 - Winnetou II
aber und mein Gefährte haben keinen Teil daran. Wir gehen und suchen uns einen andern Ort, wo wir diese Nacht zubringen können, ohne später mit Schaudern und Selbstvorwürfen an sie denken zu müssen!“
Er hatte mir ganz aus der Seele gesprochen, und seine Worte machten den beabsichtigten Eindruck. Die Männer nickten einander zu, und der Alte meinte:
„Was Ihr da zuletzt gesagt habt, Sir, das ist freilich sehr begründet. Ich habe geglaubt, daß ein solcher Empfang sie ein für allemal aus La Grange vertreiben würde; aber ich dachte nicht an die Verantwortung, welche wir auf uns laden; darum möchte ich mich wohl zu Eurem Plan bequemen, wenn es mir nur einleuchtete, daß derselbe gelingen werde.“
„Jeder, auch der allerbeste Plan kann mißlingen, Sir. Es ist nicht nur menschlich, sondern auch klug, die Leute herein zu lassen und einzuschließen, so daß wir sie lebend in unsere Hände bekommen. Glaubt mir, daß dies besser, viel besser ist, als wenn wir sie erschießen. Denkt daran, daß Ihr die Rache des ganzen Klans auf Euch ladet, wenn Ihr eine solche Anzahl seiner Mitglieder tötet. Ihr würdet die Kukluxer nicht von La Grange fern halten, sondern sie im Gegenteil herbeiziehen, um den Tod der ihrigen grausam zu rächen. Ich bitte Euch also, meinen Plan anzunehmen. Es ist das beste, was Ihr tun könnt. Um ja nichts zu versäumen, was das Gelingen desselben beeinträchtigen könnte, werde ich jetzt einmal um das Haus schleichen. Vielleicht ist da etwas für uns Günstiges zu entdecken.“
„Wollt Ihr das nicht lieber unterlassen, Sir?“ fragte Lange. „Ihr sagt ja selbst, daß man einen Posten aufgestellt haben werde. Dieser Mann könnte Euch sehen.“
„Mich sehen?“ lachte Old Death. „So etwas hat mir noch niemand gesagt! Old Death soll so dumm sein, sich sehen zu lassen, wenn er ein Haus oder einen Menschen beschleicht! Master, das ist lächerlich! Wenn Ihr ein Stück Kreide habt, so zeichnet mir jetzt einmal den Grundriß Eures Hauses und Hofes da auf den Tisch, damit ich mich nach demselben richten kann! Laßt mich zur Hintertür hinaus und wartet dort auf meine Rückkehr. Ich werde nicht klopfen, sondern mit den Fingerspitzen an die Tür kratzen. Wenn also jemand klopft, so ist es ein anderer, den Ihr nicht einlassen dürft.“
Lange nahm ein Stückchen Kreide von dem Türensims und zeichnete den verlangten Riß auf den Tisch. Old Death betrachtete denselben genau und gab seine Befriedigung durch ein wohlgefälliges Grinsen zu erkennen. Die beiden Männer wollten nun gehen. Sie befanden sich schon unter der Tür; da drehte sich Old Death noch einmal um und fragte mich:
„Habt Ihr schon einmal irgendein Menschenkind heimlich angeschlichen, Sir?“
„Nein“, antwortete ich der Verabredung mit Winnetou gemäß.
„So habt Ihr jetzt eine vortreffliche Gelegenheit, zu sehen, wie man das macht. Wenn Ihr mitgehen wollt, so kommt!“
„Halt, Sir!“ fiel Lange ein. „Das wäre ein allzu großes Wagnis, da Euer Gefährte selbst gesteht, daß er in diesen Dingen unerfahren ist. Wenn der geringste Fehler gemacht wird, bemerkt der Posten euch, und alles ist verdorben.“
„Unsinn, ich kenne diesen jungen Master allerdings erst seit kurzer Zeit; aber ich weiß, daß er darauf brennt, die Eigenschaften eines guten Westmannes zu erwerben. Er wird sich die Mühe geben, jeden Fehler zu vermeiden. Ja, wenn es sich darum handelte, uns an einen indianischen Häuptling zu schleichen, da würde ich mich sehr hüten, ihn mitzunehmen. Aber ich versichere Euch, daß kein braver Prärieläufer sich herbeilassen wird, in den Ku-Klux-Klan zu treten. Darum steht gar nicht zu erwarten, daß der Posten so viel Übung und Gewandtheit besitzt, uns erwischen zu können. Und selbst wenn er uns bemerkte, so wäre Old Death sofort da, den Fehler auszugleichen. Ich will den jungen Mann mitnehmen, folglich geht er mit! Also kommt, Sir! Aber laßt Euern Sombrero hier wie ich den meinigen. Das helle Geflecht leuchtet zu sehr und könnte uns verraten. Schiebt Euer Haar auf die Stirn herunter und schlagt den Kragen über das Kinn empor, damit das Gesicht möglichst bedeckt wird. Ihr habt Euch immer hinter mir zu halten und genau das zu tun, was ich tue. Dann will ich den Klux oder Klex sehen, der uns bemerkt!“
Es wagte keiner eine weitere Widerrede, und so begaben wir uns in den Flur und an die Hintertür, um von Lange hinausgelassen zu werden. Dieser öffnete leise und verschloß hinter uns wieder. Sobald wir
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