02 - Winnetou II
Bleichgesicht sagt eine große Lüge. In diesem Haus ist ein Häuptling der Apachen versteckt. Die Hunde von Apachen sind die Feinde der Comanchen. Wer einen Apachen bei sich aufnimmt, ist unser Feind und muß sterben.“
„Caramba! Wollt Ihr mir etwa verbieten, irgend jemand bei mir aufzunehmen, wenn es mir gefällt? Wer hat hier zu gebieten, Ihr oder ich?“
„Die Krieger der Comanchen haben dieses Haus erstiegen, sind also Herren desselben. Gib uns den Apachen heraus! Oder willst du leugnen, daß er sich bei dir befindet?“
„Zu leugnen fällt mir gar nicht ein. Nur derjenige, welcher sich fürchtet, sagt eine Lüge; ich aber habe keine Angst vor den Comanchen und will Euch also offen – – –“
„Halt!“ unterbrach ihn Old Death in gedämpftem Ton. „Macht keine Dummheit, Señor!“
„Meint Ihr, daß ich leugnen soll?“ fragte der Mexikaner.
„Selbstverständlich. Die Lüge ist eine Sünde; das gebe ich ja zu; aber die Wahrheit wäre hier der reine Selbstmord, und ich frage Euch, was sündhafter ist, eine Unwahrheit zu sagen oder sich selbst umzubringen?“
„Selbstmord? Was vermögen diese Leute gegen unsere vierzehn Gewehre?“
„Viel, da sie einmal hier oben sind. Die Mehrzahl von ihnen würde allerdings fallen; aber wir bekämen auch so einige Pfeile und Messerklingen in den Leib, Señor. Und selbst wenn wir siegen, so holen die Überlebenden die andern von den Fünfhundert herbei. Laßt mich einmal machen! Ich werde mit ihnen reden.“
Er wendete sich an den Anführer der Roten:
„Die Worte meines Bruders versetzen uns in Erstaunen. Wie kommen die Comanchen auf den Gedanken, daß sich ein Apache hier befindet?“
„Sie wissen es“, antwortete der Gefragte kurz.
„So wißt Ihr mehr als wir.“
„Willst du sagen, daß wir uns irren? Dann sagst du eine Lüge.“
„Und du sagst da ein Wort, welches du mit dem Leben bezahlen mußt, wenn du es wiederholst. Ich lasse mich nicht einen Lügner nennen. Du siehst unsere Gewehre auf dich gerichtet. Es bedarf nur eines Winkes von mir, so stürzen so viele deiner Leute, wie wir an der Zahl sind, in den Tod.“
„Aber die andern würden Euch ihnen nachsenden. Da draußen befinden sich noch viele Krieger der Comanchen, mehr als zehn mal zehn mal fünf. Sie würden kommen und dieses Haus von der Erde vertilgen.“
„Sie würden nicht über die Mauer kommen, denn wir sind nun gewarnt. Wir würden sie von hier oben aus mit so viel Kugeln begrüßen, daß keiner von ihnen übrig bliebe.“
„Mein weißer Bruder hat ein großes und breites Maul. Warum redet er zu mir? Ist etwa er der Besitzer dieses Hauses? Wer ist er, und wie nennt er sich, daß er es wagt, mit dem Anführer der Comanchen zu reden?“
Old Death machte eine wegwerfende Handbewegung:
„Wer ist der Anführer der Comanchen? Ist er ein berühmter Krieger, oder sitzt er bei den Weisen des Rates? Er trägt nicht die Feder des Adlers oder des Raben in seinem Haare, und ich sehe auch kein anderes Abzeichen der Häuptlinge an ihm. Ich aber bin ein Häuptling der Bleichgesichter. Von welchem Stamm der Comanchen seid Ihr denn, daß Ihr erst fragen müßt, wer ich bin? Mein Name lautet Koscha-pehve, und ich habe die Pfeife des Friedens geraucht mit Oyo-koltsa, dem Häuptling der Comanchen. Auch habe ich gestern mit seinem Sohn Avat-vila gesprochen und die Nacht bei seinen Kriegern geschlafen. Ich bin ein Freund der Comanchen, aber wenn sie mich einen Lügner nennen, so werde ich ihnen mit einer Kugel antworten.“
Durch die Reihen der Roten ging ein Murmeln. Ihr Anführer wendete sich zu ihnen zurück und sprach leise zu ihnen. Den Blicken, mit denen sie Old Death betrachteten, war es anzusehen, daß sein Name einen großen Eindruck auf sie gemacht hatte. Nach einer kurzen Beratung wendete sich der Anführer wieder zu dem Scout: „Die Krieger der Comanchen wissen, daß der ‚Alte Tod‘ ein Freund des ‚Weißen Bibers‘ ist, aber seine Worte sind nicht diejenigen eines Freundes. Warum verheimlicht er uns die Anwesenheit des Apachen?“
„Ich verheimliche nichts, sondern ich sage Euch offen, daß er sich nicht hier befindet.“
„Und doch haben wir ganz genau erfahren, daß Inda-nischo hier ist, und zwar von einem Bleichgesicht, welches sich in den Schutz der Comanchen begeben hat.“
„Wie ist der Name dieses Bleichgesichtes?“
„Der Name ist nicht für den Mund der Comanchen gemacht. Er klingt wie Ta-hi-ha-ho.“
„Etwa Gavilano?“
„Ja, so lautet
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