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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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einfach mal weg zu sein. Am Ende der Welt. Aus der Welt. Es hat mir im letzten Winter sehr gut getan, dort einfach meine Seele baumeln zu lassen und von Jan Abschied zu nehmen.
    Und das bringt mich zu dem, was ich dir eigentlich schreiben will. Ich weiß sehr wohl – ungefragt erteilte Ratschläge können als feindlicher Akt aufgefasst werden, und das natürlich völlig zu Recht. Aber wir kennen uns schon so lange und ich denke so viel an dich. Also werde ich das einfach mal riskieren.
    Miguel und ich sind über Weihnachten in den Alentejo gefahren und haben auf der Fahrt in Lissabon einen Stopp gemacht und Jorge besucht.
    Er vermisst dich. Er vermisst dich wirklich. Ich weiß, dass er Fehler gemacht hat, und natürlich ist Untreue nicht akzeptabel (ich weiß, Clara sieht das anders), aber sie ist doch auch kein Weltuntergang.
    Was ich damit sagen will, und um es jetzt mal auf den Punkt zu bringen, ich denke, man muss für seine Liebe kämpfen. Ich würde viel dafür geben, wenn ich wieder mit Jan zusammen sein könnte. Natürlich habe ich jetzt Miguel und er ist nett und es ist schön. Aber ... es ist nicht das Gleiche. So eine lange gewachsene Beziehung, das hat einfach was.
    Das wollte ich dir eigentlich schreiben. Ich kann meinen Mann nicht zurückholen, weil er ... weil er nicht mehr ... weil er nicht mehr ist (du siehst, ich habe immer noch Mühe, das Wort tot zu verwenden). Jorge dagegen ist ja nach wie vor in Lissabon ...
    Wie auch immer – du wirst schon wissen, was du tust – hoffe ich doch –
    Beijinhos, Anna
     
    Wieder zu Hause mache ich das Päckchen von Jorges Mutter auf. Es sind ihre Weihnachtskekse. Dona Maria Teresas berühmte Weihnachtskekse. Jahr für Jahr backt sie vor Weihnachten Kekse und verschenkt sie an Freunde und Familie. Die Kekse sind sogar heil, sie hat sie sehr gut verpackt, in Alufolie und in einer Blechdose. Zimtsterne, Rumkugeln, Vanillekipferl. Wundert mich, dass das durch den Zoll gekommen ist, es heißt ja immer, man darf keine Lebensmittel hier ins Land bringen. Aber es hat ja irgendwie geklappt. Eine Weihnachtskarte ist auch dabei.

    Meine liebe Jasmin, ich wünsche dir frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr. Vorsicht mit den Vanillekipferln, es ist ein Rezept von Carlota – Tiagos neuer Freundin – und wir haben eine ganz besondere Zutat reingetan. Es sind H---sch-Kekse. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Deine Schwiegermutter.
     
    Hallo die Enten. Wundert mich, dass das durch den Zoll gekommen ist. Deswegen vielleicht die gründliche Verpackung. Also wirklich. Ich muss schon sagen. Es heißt ja immer, dass die Großeltern mit den Enkeln Sachen machen, die sie mit den Kindern nie gemacht haben oder machen würden. Ganz offensichtlich. Denn mit Jorge und mir hat sie nie H---sch-Plätzchen gebacken.
    Ich nehme die Vanillekipferl in die Hand, sie sind in einer Extra-Tüte. An der Tüte hängt ein freundlicher Weihnachtsmann aus Papier und auf der Rückseite steht in grünen großen Buchstaben: ease up .
    Jeez Louise.
    Vielleicht nimmt sie mich einfach nur hoch? Und ich bin so blöde und glaube das auch noch. Vielleicht hat meine Schwiegermutter einfach einen schrägen Humor. Ich mache die Tüte auf und nehme einen Keks raus. Das Kipferl ist mit Puderzucker bestäubt. Ich halte es an die Nase und rieche dran. Riecht ganz normal, nach Vanille und Keks. Ich beiße vorsichtig ab. Schmeckt ganz normal. Ich nehme noch einen Bissen. Gute Vanillekipferl. Lecker. Yep – backen kann sie wirklich gut, meine Schwiegermutter. Und meine vermutliche bald-Schwiegertochter offensichtlich auch. Ich esse den Keks und dann noch einen. Klar – Jorges Mutter hat sich einen Scherz mit mir erlaubt, und ich habe es doch fast geglaubt. Unglaublich. Ich lege Musik auf, Klassik aus Annas Sammlung, setze mich aufs Sofa und lese weiter in Cool Career for Dummies .
    Ich esse noch ein paar Kekse und höre weiter der Musik zu. Draußen regnet es. Der Regen fügt sich in die Musik ein und ich stehe auf und gehe zum Fenster. Der Fluss strömt träge zum Inlet. Grün, gleichmäßig und unendlich. Zeitlos. Jetzt hört der Regen auf und ich sehe die Tropfen in den Bäumen hängen. Sie glitzern. Mir wird plötzlich ganz anders, ich fühle mich irgendwie leicht und mir wird klar, das Vorsicht mit den Vanillekipferln war ganz ernst gemeint. Dona Maria Teresa und Carlota haben da wirklich was rein getan.
    Und plötzlich bekommt das ease up einen Sinn. Natürlich.
    Meine Schwiegermutter hat

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