02 Winter am Ende der Welt
gewöhnen. Das hat doch was.
Der beruhigende Blick auf das Inlet mit seinen blauen Bergen.
Der ruhige, um nicht zu sagen verschlafene, Rhythmus des kleinen Dorfes, ausgelegt für zweitausend Einwohner, bewohnt von dreihundert Einwohnern.
Die Abhängigkeit vom Zustand von The Road.
Die Pizza im Pub. Das Frühstück in der Kirche. Der Kaffee im Cockshack. Ich esse eine Zimtschnecke mit Butter. Groß, lecker, frisch und süß. Ich weiß – ist nicht gut. Aber ich bin zu Fuß hierher gelaufen, so dass das wenigstens eine Plus-Minus-Geschichte ist. Und zurück muss ich ja auch noch, das verbraucht ja auch Kalorien, allerdings wohl leider nicht so viel, dass es kalorienmäßig eine Minus-Geschichte wird.
Der Brief ist von Tiago. Eine Einladung zu seiner Hochzeit mit Carlota im Mai. Die beiden wollen also wirklich heiraten. Sogar schon im Mai. Im Mai – das ist ja auch schon in zwei Monaten. Mein Kleiner heiratet. Meine Güte. Aber tja – ich war auch nicht älter als Tiago, als ich geheiratet habe. Ob die beiden wissen, was sie da tun? Vermutlich nicht und vermutlich ist das gut so. Ich merke plötzlich, das ist die erste persönliche Nachricht seit Tagen, ich habe über diesem Quilt doch glatt vergessen im Internet rumzudaddeln und bei Facebook vorbeizugehen. Sowas aber auch. Ich habe in der Tat seit Tagen keine Nachrichten mehr auf Facebook geguckt. Ich bin völlig in meinen Quilt gefallen.
Also zu Hause erstmal Computer auf und zu Facebook. Ein Foto mit meiner Schwiegermutter, Benjamin Walter und Joana mit der Freiheitsstatue im Hintergrund. Darunter zehn gefällt-mir-Daumen. Da setze ich doch gleich noch einen dazu. Macht elf.
Und eine ganze Reihe von Nachrichten auf meiner Pinnwand als Kommentar zu meinem neuen Foto im Profil.
Paul: Bären- oder Beerenpizza? Love Paul
Die Prinzessin: cooles pic, coole Pizza – Lena
Anna: das sieht nach mehr aus? R U in love??
Clara: Jeff oder Carl???
Jorge: Jasmin, ich möchte, dass du weißt, dass ....
Hier bricht der Satz ab. Was möchte Jorge, dass ich weiß? Was soll ich wissen? Und was ist passiert? Computer kaputt? Internet zusammengebrochen? Mein Noch-Mann sprachlos? Fassungslos? Eifersüchtig?? Eine Mischung aus allem? Da blinkt Anna im Skype auf. Also gut. Mut zusammen und durch.
Ich: ich muss dir was beichten
Anna: und ich möchte dir was erklären
Ich: wer zuerst?
Anna: fang du an, dann gucken wir weiter
Nach einer Weile ist die Welt wieder in Ordnung und wir sind wieder versöhnt. Anna weiß jetzt, dass dieser Brief von Jan an sie unterwegs ist, und sie wird schon irgendwie damit fertig werden. Sagt sie.
Ich weiß jetzt, wieso die Anna von der Joana wusste. Weil nämlich damals, als Joana auftauchte, Jorge sich an Miguel gewendet hat. Weil Männer nämlich auch nicht nur Einzelgänger sind, sondern sich manchmal bei ihren Freunden Rat holen. Aber weil Miguel auch nicht wusste was raten, hat er es Anna und Jan erzählt. Und sie dachten alle, ich würde mich von Jorge trennen, wenn ich es erfahre. Und sie fanden alle, das wäre schade, weil Jorge und ich doch so gut zueinander passten und weil wir so eine harmonische Familie waren. Also haben sie alle beschlossen, dass es besser ist, ich weiß nichts davon. Und womöglich war es das ja sogar. Und irgendwie kann ich Anna da schon verstehen. Also gut.
Ich: 3 x das Zeichen für die Blume
Annna: 2 x den Kußmund
Ich: die Sonne und den Kußmund
Anna: Daumen nach oben
Tja, ich würde sagen: Wir sind wieder versöhnt.
Und weil das so gut gelaufen ist, gehe ich doch gleich noch mal bei Facebook vorbei und schicke eine Nachricht an Clara: logo bin ich interessiert am Ende von Schneeweißchen und Rosenrot, d.h. nicht am Ende der beiden, sondern am Ende der Geschichte. Also wie geht´s aus? Wer bekommt den Bären? Oder teilen sie ihn etwa??? Ist es wirklich ein verwunschener Prinz oder müssen sie neue Frösche, äh Bären suchen – beijinhos-küsschen Jasmin
Ich nähe an meinem Quilt weiter und bin fast fertig, fehlt nur noch der Rand, aber das ist ja kein Akt, das habe ich gleich, da klingelt es unten an der Tür. Vielleicht April, die Peppermint abholen möchte, wer kann es sonst sein.
Ich mache die Tür auf. Es ist Carl.
„Frauen sind mir ein Rätsel“, sagt Carl statt einer Begrüßung. „Ich hätte nämlich neulich in der Pizza-Nacht im Motel wirklich den Eindruck, dass du ganz gerne mit mir zusammen bist.“
„Bin ich auch“, sage ich.
Bin ich ja wirklich. Und wie er da so
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