02
dem
Nichts, dass er nur verdutzt fragen konnte: »Was?«
Und dann lächelte Rione ihn auch noch an. »Wir sind uns bereits darüber einig geworden, dass ich nicht tabu für Sie bin.
Und wir sind uns einig, dass wir einsam sind und Trost suchen,
und dass wir beide geliebte Menschen verloren haben. Jeder
von uns trägt eine große Verantwortung, die er mit niemandem
teilen kann. Deshalb möchte ich, dass Sie mir zeigen, wie sehr
Sie mich mögen.«
Geary war auf so ziemlich alles vorbereitet gewesen, was ihn
und die Flotte im Sancere-System erwarten würde, aber das hier
hatte eindeutig nicht dazugehört. Er war so verblüfft, dass er
Rione nur anstarren konnte.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte nach wie vor. »Sie tun
so, als hätten Sie noch nie eine Frau geküsst.«
Es war kein Zweifel möglich, sie meinte das ernst. Er hatte
sich damit abgefunden, keinen körperlichen Kontakt zu anderen
zu haben, weil das zu seiner gefühlsmäßigen Isolation passte,
aber wie es schien, war das ein Irrtum gewesen. »So ist es nicht,
aber das letzte Mal ist immerhin ein Jahrhundert her.« »Ich bin davon überzeugt, dass Sie nicht vergessen haben,
wie es geht.«
»Ich will es nicht hoffen.«
»Dann zeigen Sie es mir. Für einen schneidigen Helden können Sie manchmal sehr zögerlich sein.«
Sonderbarerweise fühlte sich der Kuss für Geary tatsächlich
so an wie der erste seit hundert Jahren. »Was läuft hier ab, Madam Co-Präsidentin?«
Rione schüttelte den Kopf und sah wieder zur Decke, diesmal unübersehbar verzweifelt. »Madam Co-Präsidentin wird
auf diese Frage nicht antworten.«
»Ich bitte um Verzeihung«, erklärte er mit gespielter Förmlichkeit. »Victoria, was läuft hier ab?«
»Ich versuche dich zu verführen, John Geary. Hast du das
immer noch nicht gemerkt? Wie kannst du bei mir so ahnungslos sein, wenn du gleichzeitig genau vorhersagen kannst, wie
die Syndiks drei Sternensysteme weiter reagieren werden?« Eine Weile sah er sie nur an, bevor er über eine Antwort
nachdachte. »Die Syndiks sind leichter zu durchschauen. Warum, Victoria?«
Sie seufzte leise. »Du dürftest der einzige Matrose im Universum sein, der diese Frage vorher stellt anstatt hinterher. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht weil wir beide heute einen Blick
in die Unendlichkeit geworfen und es überlebt haben. Warum
ist das für dich so wichtig?«
»Ich vermute, es ist mir so wichtig«, entgegnete er schließ
lich, »weil du mir so wichtig bist.«
Daraufhin lächelte sie ihn auf eine sehr natürliche Weise an,
die ihr sehr gut stand, und er küsste sie erneut. Bevor er sich
von ihr lösen konnte, hatte sie bereits die Arme um ihn geschlungen, und er kam zu dem Schluss, dass er gar nicht losgelassen werden wollte.
Wie sich herausstellte, war Küssen nicht das Einzige, was
Geary nach wie vor beherrschte. Als Victoria unter ihm lag und
sich lustvoll wand, hatte sich Geary bereits an einige andere
Dinge erinnert, mit denen er seine Partnerin zufriedenstellen
konnte. Als sie beide erschöpft auf sein Bett sanken, wurde ihm
bewusst, dass er zum ersten Mal seit seiner Bergung aus der
Rettungskapsel nicht dieses eisige Gefühl in seinem Körper
oder seiner Seele spüren konnte. Diese Feststellung hatte etwas
Erleichterndes, zugleich aber auch etwas Beängstigendes. [Genereller Hinweis: Geary und Rione duzen sich hier zwar,
aber in der Folge wechselt das immer wieder, abhängig von der
jeweiligen Situation. Sobald sie dienstlich miteinander Umgang
haben, siezen sie sich, aber in einer Szene auf der Brücke, in
der sie miteinander tuscheln, bin ich wieder zum Du übergegangen.]
Acht
Sein Komm-Alarm ertönte, und Geary schreckte hoch. Er rollte sich zur Seite und wollte bereits den Ruf annehmen, da fiel ihm im letzten Moment ein, nur Audio zu aktivieren, damit niemand sah, dass er nicht allein war. »Geary hier.«
»Sir, Captain Desjani möchte Sie darüber informieren, dass Colonel Carabali ihre Sorge zum Ausdruck bringt, was die Bewegungen der Flottenformation Bravo betrifft.«
»Sorge?« Wenn die Marine bislang wegen irgendeiner Sache besorgt gewesen war, hatte sie damit jedes Mal recht gehabt. »Ich bin in einer Minute für sie da. Bitten Sie Carabali zu warten.«
»Jawohl, Sir.«
Geary setzte sich vorsichtig auf und versuchte, keinen Lärm zu machen.
»Hast du wirklich gedacht, das hätte mich nicht aufgeweckt?«, fragte Victoria Rione.
»Tut mir leid.«
»Ich schätze, daran werde ich mich gewöhnen müssen.«
Geary hielt in seiner Bewegung
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