020 - A.S. der Unsichtbare
Sacramento im Staat Kalifornien.
Ich wurde in dem Dorf Uckfield, Sussex, geboren, kam aber schon mit sieben Jahren nach London. Als meine Eltern starben, zog ich zu einer Tante, Mrs. Pawl, in die Bayham Street, Camden Town. Mit sechzehn Jahren nahm ich eine Stellung als Hausmädchen bei Miss Janet Severn an, 104 Manchester Square. Miss Severn hatte sonderbare Ansichten über das Heiraten.
Außer Miss Janet und den anderen Dienstboten wohnte noch Mr. John Severn, ihr Neffe, im Haus. Er war aber nur während der Ferien da. Er studierte in Cambridge.
Leider kann ich weder lesen noch schreiben, und obgleich ich später meinen Namen schreiben lernte, so daß ich Schecks ausstellen kann, habe ich es doch nicht weitergebracht. Deshalb habe ich auch von dem Mord nichts weiter gelesen. Ich wußte die Namen der Personen nicht, die es anging. Ich sah Mr. John sehr häufig, wenn er daheim war. Er hatte mich ganz gern, ich war ein hübsches Mädchen. Aber er hat nie mit mir angebändelt.
Während ich bei Miss Janet in Stellung war, lernte ich Mr. Selim kennen - Albert Selim. Er kam gewöhnlich einmal in der Woche an den Eingang für Dienstboten. Zuerst dachte ich, er sei ein Händler, der uns allerhand auf Kredit verkaufen wollte, später aber fand ich heraus, daß er ein Geldverleiher war, der draußen in West End viel mit Dienstboten zu tun hatte. Die Köchin war sehr hoch bei ihm verschuldet, und ein Dienstmädchen hatte auch Geld von ihm geliehen. Er sah ganz gut aus, und als er entdeckte, daß ich kein Geld von ihm leihen wollte, sondern sogar etwas auf der Bank hatte, schien ich ihm zu gefallen, und er fragte mich, ob ich nicht an meinem nächsten freien Sonntag mit ihm ausgehen wollte. Ich sagte zu, weil ich noch nie einen Schatz gehabt hatte. Am nächsten Sonntag fuhren wir zusammen nach Hampton. Selim bewirtete mich auf das beste.
Dann trafen wir uns häufiger, und eines schönen Tages fragte er mich, ob ich ihn nicht heiraten wollte. Er sagte aber, daß wir es geheim halten müßten und ich noch ein oder zwei Monate in meiner Stellung bleiben müßte, da er besondere Pläne habe. Mir machte das nichts aus, denn ich fühlte mich bei Miss Janet wohl.
An einem Montag, an dem ich frei hatte, trafen wir uns und ließen uns auf dem Standesamt in Brixton trauen. Selim wohnte in diesem Stadtteil. Am Abend ging ich wieder nach Hause.
Eines Tages kam er sehr aufgeregt zu mir und fragte, ob ich nicht etwas von einem Herrn gehört hätte, dessen Namen ich aber vergessen habe. Ich sagte ihm, daß Miss Janet schon von ihm gesprochen habe. Es war ihr Schwager, mit dem sie aber nicht sehr gut stand, weil er seine Frau, ihre Schwester, schlecht behandelt hatte. Er lebte in guten Verhältnissen, doch nach allem, was ich erfuhr, hatten weder Miss Janet noch John einen Pfennig von ihm zu erwarten. Ich sagte meinem Mann alles, was ich wußte, und er schien sehr befriedigt zu sein. Er fragte, ob Mr. John mich schon einmal geküßt habe. Ich war sehr wütend darüber. Er beruhigte mich wieder und sagte, daß er vielleicht ein Vermögen verdienen könnte, wenn ich ihm helfen wollte. Er erklärte auch, er habe vor unserer Heirat keine Ahnung gehabt, daß ich nicht lesen und schreiben könne. Er meinte, daß ihm das noch Schwierigkeiten bereiten werde.
Aber ich könne ihm viel helfen, wenn ich herausfinden würde, wohin Mr. John abends gehe. Ich erfuhr später, daß er diese Information brauchte, um eine Begegnung mit Mr. John herbeizuführen, den er noch nicht kannte. Ich wußte, daß Mr. John Schulden hatte, denn er hatte mir erzählt, daß der Lebensunterhalt in Cambridge sehr teuer sei und er Geld habe borgen müssen. Er bat mich aber, seiner Tante nichts davon zu sagen.
Ich dachte natürlich, daß Albert das erfahren hatte und ein kleines Geschäft mit Mr. John machen wollte. Hätte ich gewußt, wozu ihre Zusammenkunft führen würde, hätte ich mir lieber die Zunge abgeschnitten als Albert erzählt, wo John seine Abende verbrachte. Er ging gewöhnlich in einen Klub in Soho.
Ungefähr eine Woche später teilte mir Selim mit, daß er Mr. John getroffen und ihm aus der Patsche geholfen habe. Sag ihm aber nie, daß du mich kennst.
Ich versprach es ihm. Miss Janet war sehr streng, und ich hätte sicher Unannehmlichkeiten bekommen, wenn sie etwas von meiner Heirat erfahren hätte. Ich wußte nicht, welches Abkommen Albert mit Mr. John getroffen hatte, aber er schien sehr zufrieden zu sein. Er kam jetzt nicht mehr selbst ins Haus,
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