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020 - Die Blutgraefin

020 - Die Blutgraefin

Titel: 020 - Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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öffnete dem Arzt.
    Er war ein schwitzender, dicklicher, freundlicher Mann. Er stellte keine Fragen. Es war offenkundig, dass er nicht zum ersten Mal hierher kam.
    »Hat wohl wieder eine von den Seancen gegeben?« fragte er nur, während er sie untersuchte. Da ich die Frage unbeantwortet ließ, meinte er seufzend: »Das wird sie eines Tages noch ins Grab bringen. Na, hoffentlich findet sich dann auch einer, der sie ab und zu zurückholt …«
    Madame regte sich in diesem Augenblick und schlug die Augen auf. »Doktor Wechter?« murmelte sie erstaunt. »Wo sind die anderen …?«
    »Fort«, beruhigte ich sie.
    Ihr Blick fiel auf das Mädchen, mit dem sich der Arzt eben beschäftigte.
    »Oh, mein Gott, was ist mit ihr?« rief sie erschrocken. »Was ist geschehen? Woher kommt das viele Blut?«
    Das Mädchen begann plötzlich zu stöhnen und war offenbar im Begriff, aufzuwachen, was mich mit großer Erleichterung erfüllte.
    Madame versuchte, sich aufzustützen, aber sie sank schwach zurück. Sie war noch immer ungewöhnlich weiß im Gesicht.
    »Wessen Blut ist das?« fragte der Arzt und deutete auf die roten Flecken auf Kleid und Haut des Mädchens.
    »Sie werden es nicht glauben, Doktor«, erklärte ich, »aber das Blut hat sich materialisiert.«
    Der Arzt sah mich ungläubig an. Ornellas Augen waren weit aufgerissen. Madame sagte heftig: »Reden Sie keinen Unsinn, Herr Clement. Geister bluten nicht, sagt der Volksmund. Und das stimmt. Ektoplasma enthält kein Blut.«
    »Das nicht«, wandte ich ein. »Aber es vermag Blut zu formen.«
    »Möglich, aber mit dem Ende der Trance des Mediums verschwindet es wieder. Sagen Sie mir, was geschehen ist«, verlangte sie energisch. »Wurde jemand verletzt?«
    »Nein, Madame. Ornella ist unverletzt. Niemand verlor einen Tropfen Blut. Es fiel buchstäblich in Tropfen von der Decke –
    erst auf die Materialisation und dann auf Ornella.« Ich berichtete ihnen in kurzen Worten, was geschehen war.
    Madame Ferenczek schüttelte ungläubig den Kopf. »Es würde mich beruhigen, wenn Sie den Raum genau durchsuchen würden«, bat sie. »Es scheint mir, dass etwas Schreckliches geschehen ist.«
    Ich eilte nach unten, obwohl ich ziemlich sicher war, dass ich nichts entdecken würde. Bald fand ich den Seilzug, mit dem sich die schweren Vorhänge zur Seite ziehen ließen. Im Licht des späten Nachmittags, das durch ein breites Fenster kam, sah der Raum nüchtern und in seiner Leere eindruckslos aus.
    Ich sah mich genau um, konnte aber keinerlei dunkle Flecken auf dem roten Teppich feststellen. Auch an der Decke war nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Um ganz sicherzugehen, blickte ich hinter alle Vorhänge. Nichts. Natürlich – was sollte auch da sein?
    Aber woher kam das Blut? Stand ich hier wiederum einem jener Phänomene gegenüber, für die es keine natürliche Erklärung gab? Ich schauderte unwillkürlich.
    Als ich wieder nach oben kam, war der Arzt bereits fertig.
    Ornella schien ihren Schock überwunden zu haben. Madame bat mich, Dr. Wechter zum Tor zu begleiten, was ich dann auch tat.
    Als wir das Haustor erreichten, sagte er plötzlich: »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht. Das ist doch eine sonderbare Geschichte: Das junge Fräulein ist voller Blut, und die alte Dame hat eine ganze Menge verloren!«
    »Madame Ferenczek?« entfuhr es mir.
    Er nickte nachdenklich. »Aber da ist nirgends eine Wunde oder ein Einstich. Es ist mir vollkommen schleierhaft, wie sie es verloren hat – gespenstisch. Ihre Geschichte klingt auch nicht verrückter.«
     

     

Ich war sehr nachdenklich, als ich wieder hinaufstieg zur Wohnung Madame Ferenczeks. Dann fiel mir ein, dass sich ja noch ein Herr im Nebenzimmer befand, und ich beeilte mich.
    Ornella hatte sich erhoben, und der Generaldirektor-Typ aus dem Nebenraum redete auf sie ein.
    »… leid, was geschehen ist. Wie fühlen Sie sich? Gut genug, dass ich Sie nach Hause bringe?«
    »Danke. Sie brauchen sich nicht zu bemühen. Ich bedaure nicht, dass ich hier war – nur, dass ich mit Ihnen herkam.«
    »Die Luft ist rein«, sagte ich barsch. »Wenn Sie Ihren Ruf in Sicherheit bringen wollen, dann ist jetzt der rechte Augenblick!«
    Ich erntete drei interessante Blicke mit dieser Bemerkung.
    Der Mann sah mich wütend an, Ornella erstaunt, Madame nachsichtig, aber nicht unfreundlich.
    Ornella meinte bissig, zu dem Herrn gewandt: »Ich halte Sie sicher nicht auf!«
    Madame sagte: »Ja, das halte ich im Augenblick auch für das beste.«
    Wortlos ging er. Als

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