020 - Zug der Verlorenen
nichts gebrochen hatte, währte nicht lange - entsetzt stellte er fest, dass er sich in einer künstlich angelegten Fallgrube befand!
Es war ein etwa acht Fuß tiefes Loch, das von kreisrunder Form und mit morschen Zweigen bedeckt gewesen war. Wie ein Idiot war er blindlings in die Falle getappt - jetzt gab es kein Entrinnen mehr…
Nerks verzweifelte Versuche, an der glatten lehmigen Wand der Grube hochzuspringen, blieben völlig erfolglos. Er fand keinen Halt, rutschte ab und landete wieder auf dem feuchten Grund.
»Verdammt!«, rief er aus, während ihm Tränen der Verzweiflung in die Augen schossen
»Warum muss ausgerechnet mir so was passieren?«
Da hörte er es plötzlich wieder – jenes leise, heisere Zischen, gefolgt von einem schleppenden, schleifenden Geräusch.
Diesmal kam es nicht nur aus einer Richtung, sondern er hatte das Gefühl, dass es vonüberall an sein Ohr drang. Eine Täuschung? Oder krochen tatsächlich furchterregende Kreaturen von allen Seiten auf die Fallgrube zu?
Nerk schauderte. Sein Pulsschlag be- schleunigte sich in schwindelnde Höhen, Angstschweiß trat ihm auf die Stirn. Seine Kehle fühlte sich plötzlich an wie ausgedörrt, sein Magen rebellierte.
Verängstigt blickte er hinauf zu der kreisrunden Öffnung - und zuckte zusammen, als plötzlich lange Schatten darüber fielen. Das Zischen verstärkte sich, und im nächsten Augenblick erschien eine Silhouette über der Öffnung, dann noch eine und noch eine. Gleichzeitig stieg beißender Fischgeruch in Nerks Nase.
Der entflohene Sklave wurde von Entsetzen geschüttelt.
Denn die grässlichen tiefblauen Fratzen, die er sah, waren die von Fischen - und doch auch wieder nicht. Runde schwarze Augen starrten ihn an, direkt darunter klafften scheußliche Münder mit mörderischen Zähnen.
»Neiiin!«, schrie er panisch und riss abwehrend die Hände hoch. »Geht weg! Hört ihr nicht? Verschwindet!«
Die Kreaturen verständigten sich mit zischenden Lauten. Dann hielt eine von ihnen plötzlich ein kurzes Rohr in der Hand, das sie an ihren Mund führte. Mit einer schnellen Bewegung legte sie das Rohr auf Nerk an und blies hinein.
Ein helles Pfeifen ertönte - und im nächsten Moment spürte Nerk einen stechenden Schmerz an seiner Kehle. Instinktiv griff er an die Stelle und stellte entsetzt fest, dass ein kleiner Pfeil dort steckte. Er wollte ihn herausziehen, doch lähmender Schmerz ging von der Stelle aus, breitete sich binnen weniger Sekunden über seinen ganzen Körper aus.
Seine Beine gaben nach. Er brach zusammen. Auf dem Rücken liegend sah die grässlichen Gestalten über sich. Wieder zischelten sie einander etwas zu, und ein letztes Mal bäumte sich sein ermattender Geist in einem Ausbruch von Panik auf. Dann kam die Dunkelheit.
***
»Wo ist Nerk?«
An einer Quelle, die ein gutes Stück oberhalb des Meeres aus einem Felsen sprudelte, hatte die Gruppe gehalten. Jetzt erst fiel Matt auf, dass einer von ihnen fehlte.
»Weiß nicht«, behauptete Grath, während er sich erschöpft auf die Knie fallen ließ und sich das frische kühle Wasser ins Gesicht schaufelte.
»Was soll das heißen?«, erkundigte sich Matt. »Er war bei dir, oder nicht?«
»Wer bin ich denn?«, fragte Grath und sprang zornig auf die Füße. »Seine Mutter? Der Kerl ist alt genug. Er muss selbst wissen, was er tut. Er konnte nicht mehr, also blieb er zurück, um ein wenig zu verschnaufen.«
»Er konnte nicht mehr? Wieso hat du uns nichts gesagt?«
»Rate mal«, knurrte Grath. »Weil ich verdammt genau wusste, dass ihr umgekehrt wärt, um auf ihn zu warten. Das hätte uns nur unnötig aufgehalten.«
Matt wollte etwas erwidern, doch ihm fehlten die Worte. Fassungslos starrte er den Hünen an, erschüttert über so viel Skrupellosigkeit und Egoismus.
»Was willst du denn?«, fragte Grath kehlig.
»Nerk war zu langsam. Er war nur Ballast. Wir konnten ihn nicht gebrauchen.«
»Falsch«, widersprach Maddrax. »Er war dein Freund. Er hat dir vertraut.«
»Sein Problem«, meinte Grath schul- terzuckend. »So weit es mich betrifft, habe ich keine Freunde.«
»Gut zu wissen«, erwiderte Matt kalt - und schwor sich in diesem Augenblick, dass er Grath zu einem Zweikampf fordern würde. Irgendwann, wenn sie all das hinter sich hatten…
»Wir können Nerk jetzt nicht mehr helfen«, schaltete sich Arzak in das Gespräch ein.
»Zurückzugehen wäre zu gefährlich.«
»Aruula?«, wandte sich Matt an die Barbarin.
»Er hat Recht«, stimmte Aruula dem
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