0204 - Horror-Rock
Splitterregen fiel nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Ich wollte der Bestie nach, hatte bereits den ersten Schritt getan, als ich haargenau in den Fluchtweg des anderen geriet. Das Wesen mit dem türkisfarbenen Skelett sprang mir in den Rücken, und Sukos Warnruf erreichte mich zu spät.
Ich flog nach vorn. Mit den Unterarmen rutschte ich noch durch die Splitter und hatte Glück, daß sie mir nicht die Haut an den Händen einschnitten.
Dann war der Gegner ebenso verschwunden wie auch der verflixte Panthermensch.
Suko hatte sich schneller aufgerafft als ich. Er war auch vor mir am Balkon und überholte mich.
Sieben Stockwerke ging es in die Tiefe. Nebeneinander blieben wir an der Brüstung stehen und schauten hinab.
Hinter dem Hotel lag der Strand. Zwischen ihm und dem Haus befand sich ein dicht bewachsener Grünstreifen. Was dies für Pflanzen waren, konnten wir von hier oben nicht erkennen, auf jeden Fall mußten unsere beiden Gegner in diesen Grünstreifen hineingefallen sein, der sie zudeckte wie ein Tuch.
Wir sahen nichts von ihnen. Überhaupt war das Ereignis von unten nicht bemerkt worden. Es hatten sich keine Neugierigen eingefunden.
»Die haben überlebt«, sprach mein chinesischer Freund genau das aus, was auch ich dachte.
»Ja, leider.«
»Und jetzt?«
»Eine Verfolgung hat keinen Sinn. Die sind längst über alle Berge. Für heute übend allerdings weiß ich schon ein Programm. Ich werde mir ein Rockkonzert anhören.«
»Frag mich mal.«
Wir gingen wieder zurück ins Zimmer. Ich schlug noch einige im Rahmen hängende Splitter beiseite, damit wir uns nicht verletzten. Einen Schritt hinter der Balkontür blieben Suko und ich wie vorn Donner gerührt stehen. Die Überraschungen an diesem Tag nahmen kein Ende.
Die Tote lebte!
***
Sie stand neben dem Bett, hochaufgerichtet. Ihre Hand lag dort, wo das Messer eine tiefe Wunde hinterlassen hatte. Das Gesicht der Frau war bleich, und ihr Lächeln paßte überhaupt nicht in diese Situation.
»Sie leben?« hauchte ich. Etwas anderes fiel mir in diesem Augenblick nicht ein.
»Ja. Und Sie sind sicherlich John Sinclair.«
Die kannte sogar meinen Namen! Da stand doch die Bratwurst in der Pfanne auf, wirklich, Leute.
»Ja, das bin ich.«
»Dann darf ich auch Suko begrüßen.«
Der Chinese und ich schauten uns an, hoben gemeinsam die Schultern und auf unseren Gesichtern war zu lesen, daß wir nach einer Erklärung suchten.
Die konnte uns die Frau allerdings vorerst nicht geben, denn unsere Auseinandersetzung war nicht nur von dem Zimmermädchen gehört worden, sondern noch von einigen anderen Hotelangestellten.
Zu viert stürmten sie in das Zimmer, sprangen über die Angestellte hinweg, und ich erkannte an der Spitze einen Mann mit einen gewaltigen Schnauzbart und Halbglatze. Der Knabe fuchtelte mit einem Revolver herum. Sein Jackett stand offen. Über dem Hosengürtel wölbte sich ein beachtliches Halblitergeschwür.
Ich hob sicherheitshalber die Arme, weil der Kerl mir einen sehr zappligen Eindruck machte. »Was war hier los?« keifte er. Zum Glück verstand ich ihn, obwohl er schnell sprach.
»Nichts, Señor!« erwiderte ich.
»Was?« schrie er, und seine Augen schienen aus den Höhlen zu quellen. »Nichts? Ich habe doch Schreie gehört und Geräusche. Da, die Scheibe, sie ist zertrümmert…« Er streckte seinen rechten Arm aus und deutete mit dem Waffenlauf in Richtung Balkon.
»Das war ein Versehen«, erklärte ich. »Wo ist die Tote?«
Ich schaute mich um und mußte leicht grinsen. »Sehen Sie eine, Señor?«
»Ähem, ich…«
»Also nein.«
Er wurde ruhiger und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Ich habe gehört, daß…«
»Señor. Glauben Sie als verantwortungsbewußter Mensch wirklich alles, was Sie gehört haben?«
»Nun ja…« Er hob die runden Schultern und schnaufte heftig. Mein Lob war ihm runtergegangen wie Öl. »Selbstverständlich mache ich mir als Hoteldetektiv mein eigenes Bild.«
»Das können Sie sich hier machen.«
Er nicke. »Aber!« rief er plötzlich und sprang auf wie ein Gummiball. »Es bleibt die zerbrochene Scheibe.«
»Die ich natürlich ersetze.« Ich deutete auf die schwarzhaarige Frau.
»Wir hatten einen kleinen Ehekrach, und die Señora ist sehr temperamentvoll. Da hat sie eben mit dem geworfen, was ihr in die Hände fiel. Nur traf sie nicht mich, sondern die Scheibe. Es war eben Pech, Señor, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ja, ja, schon gut. Ich kenne das.« Er nickte und
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