0204 - Horror-Rock
Raster das Gewicht nicht mehr halten konnte und sich das Rad ein wenig weiter drehte, wurden Janes Gedanken unterbrochen, und sie nickte abermals ein Stück in die Tiefe des Brunnens. Sein Rand befand sich ungefähr in Höhe ihrer Hüfte. Jane hatte bisher nicht genau nachgeforscht, in welchen Intervallen die Speiche weiter rutschte, sie wollte es auch nicht, denn sie würde schon früh genug innerhalb des Totenbrunnens verschwinden.
Man sah ihr die vergangenen Strapazen an. Die Haut war blaß geworden. Schmutzige Spinnweben lagen auf ihrem Gesicht und bildeten dort ein verwirrendes Muster.
Die alte Winde knarrte, der Querbalken bog sich etwas durch. Jane hatte Angst, daß er brechen könnte und sie in der unauslotbaren Tiefe verschwand.
Wer sollte sie von dort je wieder herausholen?
Sie dachte an John Sinclair. Wie sie den Geisterjäger kannte, würde er auf dem schnellsten Weg in Malaga erscheinen, damit jedoch hatte er sie noch nicht gefunden. Niemand würde ihm Auskunft geben, wo er suchen sollte.
An Doreen Delano glaubte sie ebenfalls nicht. Sie traute der Frau nicht mehr, zu seltsam hatte sie sich benommen. Jane würde sich nicht wundern, wenn Doreen mit den vier Hütern der Leichenstadt unter einer Decke steckte.
Wichtige Informationen hatten ihr die dämonischen Wesen gegeben.
Jane glaubte kaum noch, daß sie diese je verwerten konnte. Der teuflische Mechanismus Tiber ihr würde sie weiter in die gefährliche Tiefe schaffen, von wo es kein Entrinnen gab.
Im Verlies war es still. Nur wenn das Rad sich weiterbewegte, hörte sie ein Klacken.
Die Angst ließ sie frösteln. Es hatte auch keinen Sinn, um Hilfe zu schreien. Hier hörte sie niemand, zudem waren die Mauern so dick, daß ihr Schrei kaum nach draußen klang.
Abermals ein Ruck.
Schmerzhaft spürte sie ihn in den Achselhöhlen, und sie sank abermals tiefer.
Auf ihre Uhr konnte sie nicht schauen. Die Fesseln erlaubten dies nicht, Das Blut war bereits gestaut, ihr Kreislauf geschwächt. Irgendwann würde über ihr das Horror-Konzert beginnen, während sie immer tiefer sank und sich einem schrecklichen Schicksal näherte. Und keiner der Gäste wußte, was unter seinen Füßen geschah.
Die Verzweiflung wurde stärker. Man hatte Jane die Hände auf dem Rücken gefesselt. Es war ihr unmöglich, die Arme zu bewegen und sich vielleicht am Brunnenrand abzustützen. Die vier Peiniger hatten genau gewußt, was sie taten.
Da ihre Beine in Höhe der Knöchel ebenfalls gebunden waren, konnte Jane sie auch nicht ausbreiten und sich am Rand abstützen.
Etwas allerdings war ihr erlaubt.
Sie konnte ihren Körper hin-und herschwingen. Wenn sie das allerdings tat, lief sie in Gefahr, das Seil von der Rolle zu lösen, und dann stürzte sie ab.
Freiwillig wollte die Detektivin nicht aus dem Leben scheiden, das hatte sie sich vorgenommen.
So gab es nichts anderes für sie, als zu warten. Irgendwann würde der Zeitpunkt der Entscheidung dasein.
Auch für sie…
***
Das Unglaubliche war geschehen! Jemand hatte vor unseren Augen einen Mord begangen, denn die Frau konnte nicht mehr leben.
Ich mußte mir in den nächsten zwei Sekunden erst einmal darüber klarwerden und stand wie angewurzelt auf dem Fleck, während sich alles um mich herum wie ein Standfoto in mein Gehirn brannte.
Der Musiker und die Frau lagen noch immer schräg auf dem Bett. Die Hand des Mannes hielt den Messergriff umklammert, die Klinge war nicht mehr zu sehen. Das Gesicht des Killers hatte sich zu einer grinsenden Grimasse verzerrt, in seinen Augen leuchtete Triumph.
Suko stand zwei Schritte von mir entfernt. In seinem Gesicht ist selten eine Regung zu lesen, in diesen schrecklichen Augenblicken jedoch hielt er die Augen weit offen. Er konnte die verabscheuungswürdige Tat einfach nicht fassen.
In der Tür stand das Zimmermädchen. Es hatte auch den Schrei ausgestoßen, weil es durch den Lärm der einbrechenden Tür aufgeschreckt worden war.
Die Kleine hielt ihre Hände vor das Unterteil des Gesichts gepreßt. Zu sehen waren nur die großen, angstgeweiteten Augen. Sie schwankte, fiel gegen die Wand und rutschte langsam zu Boden.
Ich erwachte aus meiner Erstarrung, und meine rechte Hand fuhr in den Jackettausschnitt. Mein Griff galt der Beretta, die ich in einer Halfter am Gürtel trug.
Wenn der Killer sich irgendwie rührte, wollte ich ihn mit einer Kugel stoppen.
Suko dachte genauso. Auch seine Hand fuhr in Richtung Silberkugel-Pistole.
Es kam anders. Die Überraschungen waren mit
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