0205 - Gangster zahlen auch mit Blei
gekommen, es blieb dennoch unklar, wo und bei wem er untergetaucht war. Es gibt keine Solidarität unter Gangstern. Keiner ist des anderen Freund, und sie arbeiteten nur miteinander, solange der eine dem anderen nützt.
Jim Brack war für Steven Warden nützlich gewesen, weil er der richtige Mann war, um John Lund aus dem Weg zu räumen. Aber wem konnte der »Hässliche« jetzt noch nützen.
Er war ein gezeichneter, gehetzter Mörder, dessen Gesicht jeder Polizist und jeder Zeitungsleser in New York kannte, und es war ein Gesicht, das man nicht vergaß; ein Gesicht, das seinen Träger erbarmungslos verriet.
Die Hafenbande war erledigt. Steven Warden war nur noch für den Leichenbestatter interessant, Mr. Stewman, von der Pacific Company konnte ohne Bedenken seinen Verein der Lagerhausbesitzer gründen, die Schauerleute konnten ihren Lohn ohne Abzug in Empfang nehmen, wenigstens solange, bis sie sich von einem neuen Gangster wieder ins Bockshorn jagen ließen; und die Kapitäne und Matrosen mussten einen Kurssturz für Schmuggelwaren hinnehmen.
Wardens Bandenmitglieder waren selbstverständlich nach allen Seiten auseinandergelaufen, als Phil zurückpreschte, aber innerhalb von zwei Tagen kassierten die Cops Pawel und Brender ein, während sich Walt Ruffer noch eine volle Woche der Freiheit erfreuen durfte, bevor auch er hinter Gitter wanderte.
Und das geschah an einem Morgen in der Filiale einer Bank.
Ruffer war zu unvorsichtig, als er seine Finanzen mit einigen Hundertdollar-Scheinen auf bessern wollte, die er einem dicken Kassierer aus dem Kreuz zu leiern suchte.
Ruffer hatte seine Pistole gerade weggesteckt und war im Begriff, die Scheine einzustecken, als der Kassierer die Alarmglocke mit dem Fuß betätigte.
Es dauerte nur Sekunden, bis Ruffer einen Revolver auf sich gerichtet sah, denn zufällig war gerade ein Privatdetektiv in dem Bankraum, als Ruffer seinen Coup startete.
Ruffers Pech.
***
Ich warf die Zigarette fort und pilgerte langsam zu meinem Wagen, der in der Nähe auf einem Parkplatz stand. Mich beschäftigte ein einziger Gedanke. Wer konnte Jim Brack versteckt haben? Da war Liz Saywer, die Frau aus der 34th Street, die den »Hässlichen« zuerst bei sich aufgenommen hatte, und die mit ihm geflohen war, als Brack mich im Treppenhaus mattsetzte. Also musste sie einen anderen Unterschlupf in New York gefunden haben. Sie war eine unauffällige Erscheinung, und für eine Frau ist es leicht, ihr Äußeres zu verändern. Ein wenig Haarfärbemittel, eine andere Frisur, ein Lippenstift von einer anderen Farbe und ein anderes Kleid wirken Wunder.
Der Henker mochte wissen, warum Liz Saywer sich mit Jim Brack eingelassen hatte. Wir hatten uns für ihr Vorleben interessiert, aber bis auf eine kleine Strafe wegen eines Warenhausdiebstahls fanden wir nichts, das darauf schließen ließ, dass sie sich jemals an die Seite eines Gangsters von Bracks Format stellen würde.
Die Tatsache, dass Brack in dem dreckigen Maschinenraum des Schleppers anstatt bei seiner Freundin untergeschlüpft war, bewies, dass er selbst Liz Saywers Versteck nicht für sicher genug hielt. Dennoch musste ihm einfach nichts anderes übrig geblieben sein, als nach der Schießerei auf dem Pier das Versteck aufzusuchen. Es war ziemlich wahrscheinlich, dass sich das Versteck in der näheren Umgebung des Ortes befand, an dem wir den Wagen gefunden hatten, denn der »Hässliche« konnte es nicht wagen, am hellen Tag eine größere Strecke zu Fuß zu gehen, ganz besonders nicht, da er angeschossen war. Immerhin hielt ich ihn für ausgekocht genug, um, sobald er selbst in Sicherheit war, seine Freundin mit dem Wagen loszuschicken, damit die Mühle aus der gefährlichen Nähe gebracht wurde. Ein schlüssiger Beweis bedeutete also der alte Ford auch nicht.
Wenn das Versteck der Frau vielleicht für sie, aber nicht für den »Hässlichen« sicher genug war, wohin dann konnte er sich wenden? Immer noch besaß er kaum Geld, aber er besaß etwas, was in manchen Situationen mehr wert ist als Geld: die Fähigkeit, Furcht, einzuflößen. Er kannte sicherlich Dutzende von kleinen Gangstern, die sich nicht weigern würden, ihn aufzunehmen, wenn er in ihren Wohnungen erscheint. Freilich, ebenso würden sie ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit verpfeifen, und es war praktisch unmöglich, einen Mann über Wochen hinweg von einem Telefon entfernt zu halten.
Konnte der »Hässliche« noch irgendwem nützen? Wem nützt ein Mann, der Furcht
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