0205 - Gangster zahlen auch mit Blei
Stadtviertel.
Die andere Bande, deren Chef Steven Warden hieß, beherrschte noch einige Piers am Europa-Hafen und zog das Geld ausnahmslos aus den Taschen der Schauerleute, der Transportunternehmer und der Reedereien, ganz zu schweigen von den häufigen, dunklen Geschäften, die mit den Kapitänen und Matrosen der anlegenden Schiffe zu machen waren.
Dennoch stand Warden das Wasser bereits bis zum Hals, denn die nördlich und südlich gelegenen Piers gehörten schon zu Lunds Bereich. Die Schlägereien in diesem Bezirk häuften sich, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu der massiven Auseinandersetzung kam.
Phil und ich fuhren im Geleitzug mit den vier Gangstern vor der Villa in der Park-Avenue vor, in der John Lund herrschaftlich residierte.
Das große weiße Haus lag in der Mitte eines Gartens, der von einem weißen Zaun und einem weißen Tor gegen die Straße abgegrenzt wurde. Die Villa war nur eine von einem halben Dutzend Wohnungen, die Lund in New York zur Verfügung standen.
Es bedurfte eines langen Palavers über die Sprechanlage, bis sich endlich ein Mann bequemte, ans Tor zu kommen. Es war kein »Gorilla«, kein Leibgardist, nicht einmal die fragwürdige Ausgabe eines Sekretärs, sondern ein waschechter britischer Butler, der vornehm durch die Nase säuselte: »Sie wünschen?«
»Wir wollen Lund sprechen.«
»Mr. Lund befindet sich nicht im Haus.«
»Wo hält er sich auf?«
»Ich bin nicht befugt, darüber Auskunft zu geben.«
Phil hielt dem Butler seinen Ausweis unter die Nase.
»Auch nicht dem FBI?«
»Auch nicht dem FBI«, kam die Antwort gelassen.
Die Vorschriften ließen uns keine Möglichkeit, in die Villa gewaltsam einzudringen. Dieser Butler hätte vermutlich auch die Nationalgarde abblitzen lassen.
»Verstößt es auch gegen Ihre Vorschriften, Mr. Lund auszurichten, dass das FBI ihn zu sprechen wünscht?«, fragte Phil sanft.
»Selbstverständlich nicht, Sir. Ich werde Ihren Wunsch übermitteln, sobald Mr. Lund zurückkommt.«
Er verneigte sich knapp und wandelte vornehm zur Villa zurück.
Larry Cont und seine Kumpane grinsten mächtig. Sie hatten das Gefühl, dass wir uns blamiert hatten, und, verdammt, das Gefühl hatte ich auch.
Ich schenkte mir die Frage an die Ganoven, wohin sie Brack hätten bringen sollen. Ich hätte doch nur Lügen gehört.
»Schert euch zum Henker!«, bellte ich sie an und sie beeilten sich damit.
»Perfekte Panne«, stellte Phil fest. »Brack spielt nicht mit. Lunds Ganoven rutschen uns wieder durch die Finger, und der Butler lässt uns vor der Tür stehen wie lästige Staubsaugervertreter.«
»Zur Hölle«, knurrte ich, »ich werde für John Lund lästiger werden als ein Staubsaugervertreter. Ich werde ihn zur Strecke bringen, und wenn ich mich deswegen mit dem Teufel verbünden müsste.«
Phil rieb sich das Kinn. »Für einen G-man ist ein Gangster fast mit dem Teufel identisch. Warum unterhalten wir uns nicht mit Lunds Gegnern? Wem steht das Wasser höher am Hals? Warden im Hafen oder Bones in Harlem?«
»Ohne Zweifel dem Hafengangster. Wollen mal sehen, ob Steven inzwischen Angst genug hat, um sich unter den Schutz des FBI zu stellen.«
***
Steven Warden hauste in einer Holzhütte auf dem 24. Pier. Über der Tür hing ein windschiefes Brett mit der verwaschenen Aufschrift: Vermittlungsbüro für Arbeitskräfte.
Eine einfache Bretterwand teilte die Bude in zwei Räume, im vorderen Raum lungerten drei Männer herum, von denen einer in seinen Zähnen stocherte, der andere eine Zeitung las und der dritte sich damit vergnügte, Kerben in die Tischplatte zu schnitzen.
Sie warfen uns müde Blicke zu. Der Zähnestocherer nahm das Streichholz aus dem Gebiss und brüllte in den hinteren Raum hinein: »Schnüffler, Steven!«
»Sollen reinkommen!«, wurde zurückgerufen.
Es war nicht unsere erste Begegnung mit Warden.
Der Hafengangster hatte ein Gesicht wie ein Seeräuber aus einem Hollywoodfilm, aber ich hielt ihn nicht für annähernd so heldenhaft.
Als er die Gang aufbaute, hatte er sich harter Methoden bedient, aber als er zu verdienen begann, ließ er die Hand nicht mehr von der Whiskyflasche. Immer noch lag sein pechschwarzes Haar glatt an dem schmalen Raubvogelschädel. Immer noch sprang seine Nase kühn vor, aber seine Wangen waren fett geworden, seine Augenlider flatterten und seine Hände zitterten.
In letzter Zeit sah man ständig einen blonden jungen Mann in seiner Nähe, der sich selbst für einen großartigen
Weitere Kostenlose Bücher