0206 - Rache aus dem Grab

John Halifax einen Wutschrei. Er kauerte sich tiefer hinter einen Busch und versuchte sich auf das Verlies zu konzentrieren. Kerrs Begleiterin durfte nicht befreit werden.
    Halifax griff mit den Kräften der Magie zu! Er entfesselte alle Kraft, die er besaß und hoffte, daß sie ausreichen würde, um über die Distanz hinweg zuzuschlagen…
    ***
    »Frei?« stieß Potter verständnislos hervor. »Ich habe doch selbst den Schlüssel herumgedreht und…«
    Zamorra unterbrach ihn mit einer heftigen Handbewegung. Nicole besaß zwar keine Para-Fähigkeiten, aber hin und wieder hatte sie Ahnungen, und auf die hatte Zamorra sich bisher noch immer verlassen können. Und wenn sie jetzt behauptete, daß John Halifax frei war - dann war er es auch!
    »Wir sehen nach«, entschied er. »Und wir halten die Augen offen! Diesem Burschen traue ich ohne Weiteres zu, daß er lächelnd quer über die Straße marschiert…«
    »Ich habe eine andere Idee«, wandte Nicole ein.
    Zamorra und Potter sahen sie fragend an.
    »Der Tote«, sagte sie. »Clark Poltryn. Ich weiß, Mister Potter, daß Sie hier die örtliche Polizei sind, aber vielleicht ist es besser, wenn Kerr sich ihn ansieht. So lange sollte jemand hier bleiben, sonst verschwindet Poltryn vielleicht oder erhebt sich, wie auch Halifax sich wieder erhoben hat. Vielleicht versucht auch Halifax, ihn zu beseitigen, während wir nach ihm suchen, und wo keine Leiche, da auch kein Mord!«
    Potter schluckte. »Sie meinen…« Er schien immer noch ungläubig, was die Freiheit Halifax’ anging.
    »Ich meine, daß wir vorsichtig sein sollten«, beschied ihm Nicole. »Einer sieht in Ihrem Haus nach, ob Halifax dort ist. Das könnten Sie selbst am besten tun, Sie ungläubiger Thomas, während einer von uns hier bleibt und der andere Kerr holt… oder im Pub anruft…«
    Das klappte nicht, weil es in Halifax’ Haus kein Telefon gab. Also mußte doch jemand gehen.
    »Ich«, entschied Nicole, und schob damit Zamorra den schwarzen Peter zu, bei dem Toten Wache halten zu müssen. Zamorra zuckte mit den Schultern. Er kannte Nicoles Unbehagen.
    »Beeile dich«, empfahl er. »Ich nehme an, daß Kerr schläft. Tut mir leid, daß er schon wieder hochgerissen wird.«
    »Ich bin der geborene Wecker«, verriet Nicole und verließ das Haus. Potter folgte ihr, um nach John Halifax zu sehen. Kopfschüttelnd setzte er einen Fuß vor den anderen. Er glaubte nicht daran, daß Halifax wieder frei war. Wie sollte er auch? Die massive Tür ließ sich ohne technische Hilfsmittel nicht zerschlagen.
    Es war Simon Potters Fehler, daß er schon zur jüngeren Generation gehörte, die die Phänomene des Übersinnlichen gern verleugnete…
    ***
    Erschrocken riß Babs die Augen wieder auf. Sie starrte die fremde Frau mit den spiegelnden Augen an und glaubte in ihr John Halifax zu sehen, den Untoten!
    Langsam, ganz langsam hob die Frau eine Hand, und Babs hörte ihre Stimme, aber die Lippen bewegten sich dabei nicht!
    »John ist kein Untoter, Barbara Crawford… er lebt, wie du auch lebst!«
    Babs erschauerte. Die Frau hatte ihre Gedanken gelesen! Unwillkürlich kroch Babs in sich zusammen.
    »Wer sind Sie? Wie kommen Sie hier herein?« stieß sie hervor.
    »Ich will dir helfen«, sagte die Fremde wiederum, ohne die Lippen zu bewegen, aber ihre Augen spiegelten greller als zuvor. »John war nie tot… auch wenn es so aussah, aber auch er besitzt die Kraft, und er konnte sich meinem Griff im letzten Moment wieder entziehen…«
    Babs fror, aber diesmal war es nicht die Kälte, die sie frieren ließ, denn sie sah die Hände der Frau, die sich um eine imaginäre Kehle schlossen und zudrückten. Und sie entsann sich des Bildes, das sie in den spiegelnden Augen John Halifax’ gesehen hatten: das Gesicht einer höhnisch grinsenden Frau!
    Dieser Frau…
    »Ja, Barbara Crawford… ich bin Anne Halifax! Und gerade deshalb werde ich dir helfen! Komm! Zögere nicht!«
    Sie streckte eine Hand aus.
    »Was haben Sie vor?« keuchte sie. Im gleichen Moment erinnerte sie sich, daß Anne Halifax doch tot war! Vor zwei Wochen zu Grabe getragen! Vor Babs stand ein Gespenst!
    Eines, das bedenkenlos morden wollte? Eines, das Vergnügen dabei empfand, John Halifax die Kehle zuzudrücken?
    »Nein!« stieß sie hervor. »Bleiben Sie, wo Sie sind! Rühren Sie mich nicht an!« Sie sprang auf und wich vor dem Gespenst zurück.
    »Ich will dir helfen!« behauptete Anne Halifax. »Ich will dich aus deinem Gefängnis holen und -«
    Sie verstummte jäh,