0206 - Rache aus dem Grab
Halifax. Er rief nach ihr.
Nicole sah, wie Zamorra in Halbtrance verfiel, und sie sah an Kerr vorbei aus dem Fenster. In spätestens zwei Stunden würde die Sonne versunken sein.
Sie trat zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. Kerr zuckte leicht zusammen.
»Zamorra ruft Anne Halifax«, sagte Nicole. »Wenn er von ihr erfährt, wo sich Babs befindet, werden wir sehr schnell handeln müssen. Mach dich fertig. Vielleicht geht es dann um Sekunden.«
Aber Kerr antwortete nicht und zeigte auch nicht, daß er Nicoles Worte verstanden hatte. Als sie sich vorbeugte, um sein Gesicht zu sehen, erkannte sie das schockgrüne Leuchten in seinen Augen.
Mit der schwachen Druidenkraft, die sich in ihm zu regenerieren begann, suchte Kerr nach Babs!
***
Das blasse Leuchten ließ Babs aus ihrem Dämmern hochschrecken. Erschrocken riß sie die Augen auf.
Zum zweiten Mal hatte sie in ihrem Verlies Besuch bekommen. Nach dem Verblassen von Anne Halifax, der sie nicht über den Weg getraut hatte, war sie förmlich in sich zusammengesunken. Aber jetzt griff die Angst wieder nach ihr.
Jemand war materialisiert, hatte sich aus dem Nichts heraus so verdichtet wie zuvor Anne Halifax sich aufgelöst hatte.
Babs wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war. Es war auch egal. Sie wollte ihre Ruhe haben, nicht mehr behelligt werden - außer, um sie aus ihrem Gefängnis zu befreien.
Etwas in ihr sträubte sich gegen alles andere.
»Verschwinde, Geist«, murmelte sie schwach.
Da erst erkannte sie, wer dieser Geist war, der sich die Ehre gab, ihr zu erscheinen.
Ihr Entführer!
Spiegelnde Augen sahen Babs an. John Halifax war gekommen!
Als Geist…
»Du bist tot!« schrie sie entsetzt auf. »Du bist doch tot… du Bestie!«
Er grinste höhnisch.
»Wie man sich täuschen kann, meine Liebe«, sagte er, und wie bei Anne bewegten sich auch seine Lippen nicht, als seine Worte aufklangen. »Ich bin sehr lebendig! Sehr…«
»Was willst du?« flüsterte sie entsetzt.
»Etwas von dir«, kicherte er. »Sozusagen als Mahnung für deinen Freund, daß er mich in Ruhe läßt! Es gefällt mir nicht, daß er immer noch in der Nähe ist. Er soll etwas zu sehen bekommen…«
Der Geist schwebte auf Babs zu, die bis an die Wand zurückwich. Sie spürte die kalten, feuchten Steine in ihrem Rücken.
»Geh weg«, flüsterte sie. »Laß mich in Ruhe! Verschwinde! Ich will nicht…«
»Ich will dich doch nicht töten«, kicherte er höhnisch. »Noch nicht! Ich brauche nur etwas von dir…«
»Nein!« schrie sie entsetzt. Der Gedanke, daß dieses gespenstische Ungeheuer sie angriff, erzeugte panische Furcht in ihr. Aber sie konnte nicht weiter zurück. Da begann sie zu schlagen und um sich zu treten, aber ihre Hände und Füße glitten wirkungslos durch den Astralkörper hindurch.
»Das nützt dir doch nichts«, spottete Halifax und streckte die Hände aus. Und obgleich Babs ihn nicht fühlen konnte, waren andererseits seine zupackenden Hände fest und stabil.
Sie schrie und verlor vor Angst die Besinnung, als er sie berührte…
***
»Da«, sagte Kerr. Seine Hände hoben sich, waren wie zustoßende Klauen eines Raubvogels, aber dann entspannte seine Haltung sich wieder.
Er wandte sich um. Seine Augen, seine Druidenaugen, die das für die Druiden vom Silbermond typische grüne Leuchten zeigten, wenn seine Para-Kräfte arbeiteten, zeigten wieder ihr normales Aussehen, aber der Farbwechsel erinnerte Nicole plötzlich an die spiegelnden Augen von John Halifax.
Und an die von Anne!
War das bei ihnen das gleiche Phänomen wie bei Kerr? Spiegelten ihre Augen nur, wenn sie ihre magische Kraft aktivierten? Das konnte erklären, warum Zamorras Amulett auf John Halifax nicht angesprochen hatte, als er »normal« war!
Erst im Moment der unmittelbaren Berührung im Pub waren beide Kräfte aktiviert worden und hatten gegeneinander gearbeitet…
Nicole riß sich aus ihren Gedankengängen, die sich auf Zamorras Bericht aufbauten. Sie sah Kerr wieder an. »Was war?« fragte sie.
Der Druide wandte sich ab und ging zum Bett, auf dessen Kante er sich sinken ließ. »Ich hatte Kontakt zu Babs«, sagte er leise, um Zamorras Konzentration nicht zu stören. »Eine oder zwei Minuten länger, und ich hätte gewußt, wo sie sich aufhält. Aber ich war noch zu schwach. Dieser verdammte Blitz…«
»Hast du nicht wenigstens eine schwache Ahnung?« fragte Nicole und sah eine kleine Whiskyflasche auf dem Sidebord des stilvoll und durchaus komfortabel eingerichteten
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