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0207 - Der Steinriese erwacht

0207 - Der Steinriese erwacht

Titel: 0207 - Der Steinriese erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
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her. Es war vorbei. Was die Toten umkrallen, das geben sie nicht mehr her.
    Carsten Möbius fühlte, daß seine letzte Stunde gekommen war. Denn er zweifelte nicht, daß ihn die Gespenster nun zu einer ihrer unheiligen Liturgien schleppen würden, von denen selbst die Eingeweihten nur im Flüsterton zu reden wagten.
    Die Gerippe hatten sich zu einer Art Prozession formiert, in deren Mitte die Knochengestalten gingen, welche die sich drehende Menschengestalt hoch über sich hielten.
    Mit klappernden Knochen zog dieser Gespensterzug einmal gemessenen Schrittes um den Friedhof, der nun wieder voll im bleichen Mondlicht gebadet wurde und dessen schmucklose Leichensteine wie Schilde aus getriebenem Silber glänzten. Aber düster und drohend hob sich im Hintergrund der Turm der uralten Abtei ab. Und wie zum Hohn kam von dort noch -einmal das schrille: »Kuwitt! Kuwitt!« des Totenvogels.
    »Komm mit! Komm mit ins kühle Grab!«
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Carsten Möbius im letzten Drittel des Friedhofes einen steinernen Sarkophag, den das Alter schon stark mitgenommen hatte. Die wallenden Nebel, die ihn umspielten, gaben ihm das Aussehen eines Seeungeheuers, daß sich aus der Brandung des Meeres erhebt.
    Die Ruhestätte vergangener Jahrhunderte bestand aus schweren grauen Steinplatten, von denen jede Einzelne mehrere Zentner wiegen mußte und von einem normalen Mann unmöglich beiseite gerückt werden konnten.
    Und die Prozession näherte sich unaufhaltsam diesem Totenschrein. Der Deutsche ahnte, daß sich hier sein Schicksal vollenden sollte. Etwas Fürchterliches würde hier geschehen.
    Carsten wagte nicht darüber nachzudenken, ob ihm der Spuk hier den Hals umdrehen würde oder, wie man sonst noch hört, nach seinem Herzen griff. Er spannte alle Muskeln. Seine letzten Kräfte wollte er in in einen letzten Befreiungsversuch legen.
    Da sah er, daß ungefähr acht der Totengerippe auf den Sarkophag zuschritten. Und jetzt, Carsten Möbius stieß einen Schrei aus, schoben sie den mächtigen Steindeckel zur Seite. Das Grab gähnte offen.
    Sie wollten ihn lebendig begraben. Ein grauenvolles Schicksal wartete auf den Mann aus Deutschland, der, das Unausweichliche vor sich sehend, sich noch einmal verzweifelt aufbäumte.
    Aus dem geöffneten Grab schlug ihm süßlicher Verwesungsgeruch entgegen und nahm ihm den Atem. Ekel würgte in ihm.
    Unter sich sah er mehrere zur Unkenntlichkeit zerfallene Leichen, häßlichgelbe Knochen, an denen noch Spuren des einstigen Leichenhemdes klebten. Und zwischen all dem lebte es, ringelten sich die Würmer empor zu dem Opfer, daß ihnen gebracht wurde.
    Wie rasend zuckte der Leib des Jungen auf und ab. Die Schreie aus seinem Mund waren keine Hilferufe in einer menschlichen Sprache, es war das Kreischen der Kreatur, über der der Schatten des Todes schwebt.
    Langsam, ganz langsam senkten die Knochenhände die zappelnde Gestalt in die Tiefe des Sarkophages.
    ***
    Professor Zamorra hatte den letzten Akt des Dramas von weitem gesehen.
    Und er rannte, so schnell ihn seine Beine zu tragen vermochten. Schweiß rann über sein Gesicht, der Atem rasselte aber er flog dem Spuk aus der Jenseitswelt förmlich entgegen.
    In weiterer Entfernung folgte ihm Nicole Duval.
    Der Meister des Übersinnlichen hörte die grellen Schreie eines Menschen. »Hoffentlich«, dachte er, »kann ich diesen Unglücklichen retten, ohne daß sein Gemüt durch dieses gräßliche Erlebnis vom Wahnsinn umwölkt wird.«
    Ein häßliches Schürfen war zu hören, als die Knochengestalten den schweren Steindeckel wieder an seinen Platz rückten. Nur noch ein ganz geringer Spalt war frei, als Professor Zamorra heran war.
    Schon während des Laufs hatte er das Amulett von seinem Hals genommen. Bot wie die untergehende Sonne strahlte Merlins Stern durch die Nacht. Das Amulett des Magiers Leonardo de Montagne, einst dem Dienst des Bösen geweiht, heute die stärkste Waffe Zamorras im Kampfe gegen die Mächte der Finsternis.
    ***
    Hätte der Puck einen Fluch gekannt, er hätte geflucht. Aber in der Sprache der Elben und ihren Redewendungen gibt es keinen Fluch.
    Er spürte förmlich diese Kraft, die die Früchte seines bösen Wirkens zunichte machte. Und in den Gedanken des Mannes, der jetzt im Sturmlauf den Friedhof betrat, las er, daß er hier einen Vertreter der Gegenseite vor sich hatte.
    Einen starken Vertreter des Guten. Und einer, der selbst ihm, dem Puck, gefährlich werden konnte. Denn wenn der Kobold auch nichts mit dem

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