0207 - Der Steinriese erwacht
einem Gangsterboß zumute sein, wenn die Polizei bewaffnet seine Räume stürmt.
Nicht daß etwas an der Figur im Türrahmen Gefährliches zu erblicken gewesen wäre. Im Gegenteil, sie sah ziemlich friedfertig aus.
Mönche pflegen im allgemeinen friedfertig auszusehen. Denn es ist die Bestimmung ihres Lebens, daß sie in den Tagen ihres Erdenwandelns nur dem Guten dienen.
Aber einige wenige unter den Kuttenträgern taten noch mehr. Sie bekämpften das Böse, wo immer es sich zeigte. Und der Mönch, der hier seine Erscheinung aufbaute, war seinem Gegenüber nur zu gut bekannt.
Obwohl er selbst zu den Starken seines Kreises gehörte, war der Ausgang eines Kampfes hier zweifelhaft. Denn einst, daß wußte der Mann hinter dem weitausladenden Schreibtisch, hatten dem Mönch die geheimen Bibliotheken des Vatikans für seine Studien zur Verfügung gestanden. Was ihm dann noch fehlte, brachte ihm ein Freund aus den Tagen der Studentenzeit bei.
Gleich diesem Studienkollegen war er einer im unteren Kreise gefürchteter Dämonenjäger geworden.
Die unscheinbare, braune Kutte fiel zu Boden. Das lange, bauschige Gewand darunter war in blendendstem Weiß, um die Hüfte nur von einer Kette gehalten, die aus Bergkristallen zu bestehen schien. Jegliche Verzierung an diesem Gewand, seien es Ornamente oder sakrale Symbole, hätten hier nur entweihend gewirkt.
Um den Hals aber trug der Mönch einen Brustschild aus einer Art Metall, dessen Farbe dem Silber ähnlich sein mußte, ebenfalls von einer Bernsteinkette gehalten. Die Fläche des Schildes war glatt wie das Wasser eines Bergsees bei totaler Windstille. Kein Zeichen oder Symbol war darauf geschrieben, keine Rune der Macht in das Metall eingegraben. Und doch wirkte der Schild in seiner Schlichtheit einfach schön.
Der Brustschild von Saro-esh-dyn wies den Mönch als einen vom Orden derer aus, die sich die »Väter der reinen Gewalt« nannten. Denn die Gewalt, derer sie sich bedienten, wurde nur zur Bekämpfung des Bösen angewendet.
Der Dämon in seiner Tarnexistenz als hoher leitender Angestellter eines Versicherungskonzerns kannte den Namen des Mönches ganz genau. War er auch noch nicht so erfolgreich gewesen, wie sein einstiger Studienfreund, den die Welt als Professor Zamorra kannte, so war Pater Aurelian doch einer, gegen den selbst Satans Ministerpräsident Lucifuge Rofocale nicht ohne Gefahr antreten konnte.
Im Bruchteil von dem, was die Menschen eine Sekunde nennen, beschloß der Dämon, die Bastion hier aufzugeben. Lieber ein lebender Hund als ein toter Löwe.
Denn auch, wenn man der Fürst der Finsternis ist, hängt man an dem, das für die Wesen des Flammenreiches das Leben ist. Keiner der Dämonen wird freiwillig das Reich der Schwärze und des Nichts beschreiten, aus dem es kein Zurück gibt.
Der Mönch, der einst als Pater Aurelian den verbotenen Bibliotheken des Vatikan vorgestanden hatte, wollte etwas sagen, wollte das Höllenwesen zum Kampfe herausfordern. Das ebenmäßige Gesicht, das ein langer, dunkler Bart umspielte, strahlte einen Schimmer des Überirdischen aus.
Aber der Höllensohn ging kein Risiko ein.
Es gab eine häßliche, graue Rauchwolke, in der er verschwand.
Der Fuchs hatte den Hühnerstall verlassen, bevor die Falle zuschnappen konnte.
Ergeben zuckte Pater Aurelian die Achseln. Dann eben nicht. Vielleicht war dies ein Eingreifen jener unbekannten Wächter, welche die unsichtbare Waage von Gut und Böse halten und darauf achten, daß weder die Kraft der Liebe noch die Macht des Hasses überwiegt.
Vielleicht wäre die Waage aus dem Gleichgewicht gekommen, wäre dieser Dämon vernichtet worden. Denn er war einer von denen, die dem Throne des Kaiser Luzifer sehr nahe standen.
Sich darüber den Kopf zu zerbrechen, war reine Zeitverschwendung. Es gibt Gewalten, die sich nicht ergründen lassen. Und das ist gut so.
Aber etwas konnte er noch tun. Dieses schöne Büro, in dem Satans ANGESTELLTER hier den Boß gespielt hatte, er würde es auf magische Art präparieren, daß es wohl wieder von Sterblichen genutzt, nicht aber mehr von den Geschöpfen der Hölle betreten werden konnte.
Aus den Falten des Gewandes zog er eine Art Kräuter, die in seinen Händen förmlich zu Staub zerfielen. Und er bröselte die Teilchen des Krautes, das nur denen bekannt ist, die der sieben hohen Sprüche mächtig sind, in alle Teile des Raumes.
Ein normaler Mensch würde nichts merken. Für ein dem Teufel höriges Wesen aber bildete das, was dieses Kraut
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